Humane embryonale Stammzellen (hESC) und Herstellungsverfahren basierend auf zerstörten humanen Embryonen oder befruchteten Eizellen (frühe Embryonen) sind laut EuGH wegen Sittenwidrigkeit vom Patenschutz ausgeschlossen (s. Beitrag vom 19.10.2011). Der gleichen Auffassung ist das für die Erteilung europäischer Patente zuständige Europäische Patentamt (EPA) (s. Beitrag vom 2.1.2009 zu G 2/06).

Die in G2/06 getroffene Aussage, wonach Regel 28(c) EPÜ die Patentierung von Produkten verbietet, die zum Zeitpunkt der Anmeldung nur unter Zerstörung von humanen Embryonen hergestellt werden konnten, spiegelt sich in den Handlungsanweisungen für die Prüfer im EPA unter Ziffer 5.3 iii), Kapitel II, Teil G der EPA-Prüfungsrichtlinien wieder:

„Ein Anspruch auf ein Erzeugnis, das am Anmeldetag ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnte, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen das Erzeugnis gewonnen wird, ist sogar dann nach Regel 28c) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, wenn dieses Verfahren nicht Teil des Anspruchs ist (siehe G 2/06). Wann die Zerstörung stattfindet, ist unerheblich.“

Zwischenzeitlich gibt es jedoch hES-Zelllinien, die ohne Zerstörung von humanen Embryonen erhalten wurden (s. Chung et al., Human Embryonic Stem Cell Lines Generated without Embryo Destruction, Cell Stem Cell (2008) Feb 7; 2(2): 113-117. Doi: 10.1016/j.stem.2007.12.013).

Unter Hinweis auf vorgenannte wissenschaftliche Publikation unterstellt das EPA nicht mehr zwangsläufig eine Embryonen-zerstörende Herangehensweise als Patentierungshindernis, jedenfalls dann nicht, wenn der Anmelde- bzw. Prioritätstag der Anmeldung nach dem 10. Januar 2008 liegt und damit dem elektronischen Publikationsdatum des vorgenannten wissenschaftlichen Artikels entspricht. Diese zu Gunsten des Anmelders seit September 2012 gelebte Praxis des EPA hat bisher noch keinen Eingang in die offiziellen EPA-Richtlinien gefunden, so dass im Falle einer Beanstandung unter Regel 28(c) EPÜ die Initiative des Anmelders bzw. seines Vertreters gefragt ist, um sich entsprechend zu verteidigen.

Bei Anmeldungen mit Prioritäts- bzw. Anmeldetag vor dem 10. Januar 2008 verwehrt sich das EPA nicht grundsätzlich dem Argument, dass bereits vorher Embryonen nicht zerstörende Technologien zur Gewinnung von hESC zur Verfügung standen. Dabei reicht es jedoch nicht aus, darauf zu verweisen, dass es zum Anmeldezeitpunkt bereits kommerziell erhältliche hES-Zelllinien gab. Vielmehr muss dann auch der Nachweis erbracht werden, dass diese kommerziellen Zelllinien ohne Zerstörung von humanen Embryonen geschaffen wurden (s. zuletzt T 2221/10 vom 4. Februar 2014).