Spätestens wenn zuvor geänderte Patentansprüche vom EPA als gewährbar angesehen werden und die Erteilung des Patents unmittelbar bevorsteht, wird seitens der Prüfungsabteilung üblicherweise eine Anpassung der Beschreibung an die Ansprüche gemäß den aktuellen (2021) EPA-Prüfungsrichtlinien eingefordert, die verlangen, dass Ausführungsformen, die nicht mehr von den Ansprüchen abgedeckt werden, entweder gestrichen oder deutlich als nicht beansprucht gekennzeichnet werden, wie in Teil F, Kapitel IV, Punkt 4.3 (iii) der genannten Richtlinien ausgeführt.
In diesem Punkt der Richtlinien wird auf die Entscheidung T 1808/06 Bezug genommen, die jedoch angesichts der jüngsten Entscheidung T 1989/18 als veraltet anzusehen ist. In dem der Entscheidung T 1989/18 zugrunde liegendem Fall wurde die Anmeldung von der Prüfungsabteilung nur deshalb zurückgewiesen, weil die Beschreibung nicht entsprechend den gewährbaren Ansprüchen angepasst worden war und daher angeblich gegen das Klarheitsgebot des Artikels 84 EPÜ verstieß. Die der Prüfungsabteilung übergeordnete Beschwerdekammer suchte nach einschlägigen Bestimmungen im EPÜ, die als Rechtsgrundlage für die Zurückweisung durch die Prüfungsabteilung dienen könnten, konnte aber keine finden und verwies die Sache daher an die Prüfungsabteilung zurück mit der Anordnung, das Patent zu erteilen.
Der Entwurf der neuen EPA-Richtlinien, der die derzeitige Fassung am 1. März 2022 ersetzen wird, scheint im Hinblick auf das Erfordernis der Anpassung der Beschreibung and geänderte Ansprüche weniger strenge Anforderungen zu stellen. Dies ist möglicherweise der neuen Rechtsprechung und den kritischen Rückmeldungen der Nutzer über die ehr strenge Anwendung der aktuellen (2021) EPA Richtlinien in dieser Hinsicht geschuldet. So wurde beispielsweise der Absatz in den derzeitigen EPA-Richtlinien, wonach Ausführungsformen, die nicht mehr von den Ansprüchen erfasst werden, entweder gestrichen oder deutlich als nicht beansprucht gekennzeichnet werden müssen, im Entwurf der neuen (2022) EPA-Richtlinien herausgenommen und stattdessen z. B. folgende Formulierung eingefügt:
In Grenzfällen, in denen Zweifel daran bestehen, ob eine Ausführungsform mit den Ansprüchen in Einklang ist, ist zugunsten des Anmelders zu entscheiden.
Es bleibt abzuwarten, ob die Prüfer des EPA mit Blick auf die neuen (2022) EPA-Richtlinien einen weniger strengen Ansatz verfolgen werden und ob die Beschwerdekammern die neue Fassung gutheißen werden.