Wird ein Immaterialgüterrecht fahrlässig oder vorsätzlich verletzt, schuldet der Verletzer dem Schutzrechtsinhaber Schadensersatz. Für die Berechnung der Schadenshöhe stehen traditionell drei Methoden zur Verfügung (s. BGH, Urt. v. 8.10.1971 – I ZR 12/70 – Wandsteckdose II; zuvor schon Reichsgericht, Urt. v. 13.10.1937 – I 262/36 – Scheidenspiegel zum Patentrecht):
- der dem Verletzten tatsächlich entgangene Gewinn (§ 252 BGB),
- der Verletzergewinn (s. den Beitrag v. 7.4.2006) und
- die Lizenzanalogie, d.h. es wird fingiert, die Parteien hätten einen Lizenzvertrag geschlossen, so dass der Verletzer nun die Lizenzgebühren nebst Zinsen schuldet.
Zwischen den drei Bemessungsarten kann der Gläubiger wählen. Um die ihm günstigste Methode ermitteln zu können, lässt er sich vom Schuldner zunächst Auskunft erteilen und ggf. Rechnung legen (s. den Beitrag v. 28.8.2007).
Das „Wahlrecht“ des Gläubigers erlischt erst, wenn der Schuldner den Schadensersatzanspruch erfüllt hat (BGH, Urt. v. 13.7.1973 – I ZR 101/72, GRUR 1974, 53 f. – Nebelscheinwerfer) oder wenn dieser durch rechtskräftiges zuerkannt worden ist (BGH, Urt. v. 17.6.1992 – I ZR 107/90 – Tchibo/Rolex II).
Die letztgenannte Aussage hat der BGH in einem aktuellen Urteil etwas modifiziert und dabei deutlich gemacht, dass mit der Ausübung des Wahlrechts nicht zu lange gewartet werden sollte (BGH, Urt. v. 25.9.2007 – X ZR 60/06). Die Klägerin hatte ursprünglich rund 170.000 € als Schaden aufgrund einer Patent- und Gebrauchsmusterverletzung geltend gemacht und sich hierbei auf die Methode der Lizenzanalogie berufen. Das Landgericht sprach jedoch nur gut 140.000 € zu. Hiergegen legte sie keine Berufung ein, wohl aber die Beklagte. Während des Berufungsverfahrens beschlich die Klägerin der Verdacht, dass die Rechnungslegung der Beklagten fehlerhaft war. Demnach würde der Verletzergewinn nicht, wie ursprünglich angegeben, knapp 125.000 € betragen, sondern über 400.000 €. Um diesen Betrag noch geltend machen zu können, legte die Klägerin Anschlussberufung ein (§ 524 ZPO). Dies ist auch nach Ablauf der Berufungsfrist noch möglich, jedoch verliert die Anschließung ihre Wirkung, wenn der Gegner die Berufung zurücknimmt, und genau diese Karte zog die Beklagte: Sie führte die Rechtskraft des Urteils über 140.000 € nachträglich herbei, indem sie ihr Rechtsmittel zurücknahm. Um doch noch den erheblich höheren Betrag einklagen zu können, war die Klägerin zu erneuter Klageerhebung gezwungen. Während beide Vorinstanzen dies für zulässig erachteten, erhielt die Klägerin vom BGH eine Abfuhr. Einer erneuten Klage stehe die Rechtskraft des ersten Urteils entgegen, auch wenn das Wahlrecht noch zu einem Zeitpunkt ausgeübt wurde, als die Rechtskraft noch nicht eingetreten war. Dabei stellte der BGH maßgeblich auf die Belange des Schuldners ab, der sich ab einem bestimmten Zeitpunkt sicher sein müsse, in welcher Höhe er haftet. Er müsse für die Zukunft disponieren können und wissen, in welcher Höhe er Rückstellungen zu bilden habe (§ 249 HGB; s.a. § 5 Abs. 3 EStG – steuerlich sind die obigen drei Berechnungsmethoden anerkannt, s. BFH, Urt. v. 24.6.1970 – I R 6/68). Auch das Ansinnen der Klägerin, ihre Klage im Nachhinein als Teilklage anzuerkennen, wies der BGH zurück.
Fazit der Entscheidung kann nur sein, dass der Gläubiger die Auskünfte des Schuldners von Anfang an noch kritischer prüfen und bei Unstimmigkeiten noch eher in Erwägung ziehen muss, vom Schuldner eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte zu verlangen (§ 259 Abs. 2 BGB, hierzu BGH, Urt. v. 24.3.1994 – I ZR 42/93 – Cartier-Armreif). Macht der Schuldner dann noch fahrlässig falsche Angaben, liegt eine Straftat vor (§ 156 StGB), so dass das Verlangen der eidesstattlichen Versicherung den Druck erhöht, richtig und vollständig Auskunft zu erteilen.