Auch wenn ein Produkt nicht oder nicht mehr durch gewerbliche Schutzrechte geschützt ist, kann der Vertrieb von Nachahmungen als unlauter verboten werden, wenn
1. das Originalprodukt „wettbewerbliche Eigenart“ aufweist,
2. der Grad der Übernahme hinreichend hoch ist und
3. besondere Umstände vorliegen
(sog. ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz, § 4 Nr. 9 UWG; untechnisch auch „sklavische Nachahmung“).
„Wettbewerbliche Eigenart“ weist ein Erzeugnis dann auf, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder einzelne Merkmale geeignet sind, auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 1995, 581, 583 – Silberdistel). Die Anforderungen hierfür sind nicht besonders hoch. Denn das Merkmal dient dazu, sog. Dutzendware vom wettbewerbsrechlichen Schutz auszunehmen (BGH, Urt. v. 10.10.1991 – I ZR 147/89 – Bedienungsanleitung). Aber selbst für Massenware ist der Schutz nicht prinzipiell ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.1968 – I ZR 66/66 – Pulverbehälter).
Private Label-Produkte allerdings werden von vornherein so vermarktet, dass der eigentliche Hersteller dem Verbraucher gewöhnlich nicht bekannt wird. Wenn der Verkehr Vorstellungen über die betriebliche Herkunft entwickelt, können diese sich allenfalls auf den Händler beziehen, der die Ware unter seiner Handelsmarke vermarktet. Dies haben Instanzgerichte zuweilen als Grund dafür angesehen, den in den Hintergrund getretenen Herstellern den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz zu versagen (z.B. OLG Hamburg, Urt. v. 7.6.2006 – 5 U 96/05 – Gebäckpresse).
In seinem Urteil „Gartenliege“ vom 24. Mai 2007 hat der BGH jedoch klargestellt, dass der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz durchaus auch Private Label-Herstellern offen stehen kann (Az.: I ZR 104/04). Danach ist es insbesondere nicht erforderlich, dass der Verbraucher das Produkt einem namentlich bekannten Hersteller zuordnet. Es genügt, wenn die Konsumenten davon ausgehen, dass hinter dem Produkt ein einziges, u.U. unbekanntes Herstellungsunternehmen steht. Im Streitfall hatte der Produzent einer Gartenliege den strittigen Artikel über mehrere Händler jeweils unter deren Handelsmarke vertrieben. Da aber bei jedem dieser Händler aufgrund der jeweiligen Sortimentsbreite für dessen Kunden klar war, dass es sich um Fremdprodukte handelte, konnte sich auch keine Verkehrsvorstellung dahin herausbilden, es gäbe verschiedene Hersteller des strittigen Modells. Mithin war die Verkehrsvorstellung von einem betrieblichen Ursprung nicht zerstört, so dass dem Kläger Ansprüche gegen seinen ehemaligen Kunden zustehen konnten. Die Entscheidung liegt damit auf einer Linie mit einem älteren Judikat des BGH, das es sogar für unschädlich hielt, dass der Hersteller Lizenzen an andere Hersteller vergab, womit also tatsächlich verschiedene betriebliche Ursprünge bestanden (BGH, Urt. v. 13.07.1956 – I ZR 75/54 – Uhrenrohwerke).
Das „Gartenliege“-Urteil berührt noch einen anderen wichtigen Aspekt des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes, nämlich inwieweit er sich auch auf technische Merkmale erstrecken kann. Um dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit gerade auch in Bezug auf den freien Stand der Technik Rechnung zu tragen, nimmt die Rechtsprechung seit langem Einschränkungen vor (z.B. BGH, Urt. v. 3.5.1968 – I ZR 66/66 – Pulverbehälter).
So entfällt der Schutz für technisch notwendige Merkmale schlechthin (BGH, Urt. v. 8.11.2001 – I ZR 199/99 – Noppenbahnen). Technisch notwendig sind dabei solche Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen (BGH, Urt. v. 7.2.2002 – I ZR 289/99 – Bremszangen). Ob dies der Fall ist, ist vielfach nicht rein objektiv zu beantworten ist, wie die Gerichte selbst einräumen (BGH, Urt. v. 8.12.1999 – I ZR 101/97 – Modulgerüst).
Ist ein Gestaltungsmerkmal eines Produkts hingegen austauschbar, aber immer noch technisch bedingt, kann es zwar wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH, Urt. v. 12.7.2001 – I ZR 40/99 – Laubhefter). Die Übernahme sei aber „dann nicht zu beanstanden, wenn ein vernünftiger Gewerbetreibender, der auch den Gebrauchszweck und die Verkäuflichkeit des Erzeugnisses berücksichtigt, die übernommene Gestaltung dem offenbarten Stand der Technik einschließlich der praktischen Erfahrung als angemessene technische Lösung entnehmen kann“ (BGH, Urt. v. 12.7.2001 – I ZR 40/99). Mit Blick darauf hatte der BGH in seinen veröffentlichten Entscheidungen seit dem Urteil „Rollstuhlnachbau“ (v. 17.6.1999 – I ZR 213/96) immer wieder den Schutz für technische Erzeugnisse in Zweifel gezogen (zuletzt Urt. v. 21.9.2006 – I ZR 270/03 – Stufenleitern).
Hierauf berief sich auch die Beklagte im Fall „Gartenliege“ mit Blick auf einen Metallbügel für die Höhenverstellung des Kopfteils, der auch eine spezielle „Relaxstellung“ ermöglichte. Der BGH widersprach jedoch ausdrücklich. Aus seinen o.g. Grundsätzen folge lediglich, dass die Funktion der Relaxstellung nicht monopolisiert werden könne. Wenn dazu jedoch die Gestaltung des Bügels übernommen werde, ohne dass dies für das Erreichen dieser Funktionalität zwingend wäre, könne dies durchaus zur Unlauterkeit beitragen.
Eine solche Unterscheidung zwischen der technischen Funktion und der Gestaltungsmittel zu ihrer Verwirklichung ist für die Praxis äußerst hilfreich, da sich Fälle dieser Art damit genauer beurteilen lassen. Auch wurde der Nachahmungsschutz für technische Produkte ist damit ein Stück weit gestärkt (zum Geschmacksmusterschutz s. den Beitrag vom 25.7.2007).