Eine Markenverletzung unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr setzt insbesondere hinreichende Ähnlichkeiten

  • zwischen den von den Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen voraus.

Der zweite Gesichtspunkt wurde unter dem bis 1994 gültigen Warenzeichengesetz (WZG) noch relativ starr gehandhabt: Entweder es bestand Warengleichartigkeit oder nicht. Fehlte es daran, kam es auf die Nähe der Zeichen nicht mehr an (so noch heute die Praxis z.B. in Japan). Zum 1. Januar 1995 wurde das WZG durch das Markengesetz abgelöst. Mit ihm wurde die europäische Markenrechtsrichtlinie 89/104/EWG umgesetzt, womit das Markenrecht in der EU weit gehend harmonisiert wurde. Nach dem Zehntem Erwägungsgrund der Richtlinie hängt die Verwechslungsgefahr nun vom „Grad der Ähnlichkeit … zwischen den … Waren“ ab. Es ist also ein Ähnlichkeitsgrad zu bestimmen, der mit weiteren Faktoren, insbesondere dem Grad an Ähnlichkeit zwischen den Zeichen, abzuwägen ist (die Rechtsprechung spricht von „Wechselwirkung“ zwischen den Faktoren, z.B. BGH, Urt. v. 28.8.2003 – I ZR 9/01 – Kelly, oder „Wechselbeziehung“, z.B. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – I ZB 223/01 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Der für die Auslegung des harmonisierten Markenrechts zuständige Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Grundsatzentscheidung „CANON“ Grundsätze für die Bestimmung des Warenähnlichkeitsgrads aufgestellt. Danach seien „alle erheblichen Faktoren“ betreffend das Verhältnis der Waren zu berücksichtigen, „insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren“ (Urt. v. 29.9.1998 – C 39/97).

Trotz dieser eher unscharfen Beurteilungskriterien ist für eine Harmonisierung natürlich wünschenswert, dass zwei bestimmten Warenarten EU-weit einheitlich derselbe Ähnlichkeitsgrad zugemessen wird. Dies scheint sich aber, wie ein Beschluss des BGH vom 19. Juli 2007 (Az.: I ZR 47/06) zeigt, nicht zu verwirklichen.

In der BGH-Entscheidung geht es im Wesentlichen um die Verwechselbarkeit der für Mineralwasser geschützten Marke „EVIAN“ einerseits und den Zeichen „REVIAN“ und später „REVIAN’s“ für Wein andererseits, über die die Parteien mittlerweile über zehn Jahre lang prozessieren. Bereits am 16.11.2000 hatte der BGH über den Fall zu befinden (Az.: I ZR 34/98). In Anwendung der in der „CANON“-Entscheidung aufgestellten Kriterien hob er heraus, dass Mineralwasser einerseits eine Konsumalternative zu Wein ist und die Produkte andererseits als Weinschorle miteinander kombiniert würden. Dass Winzer und Brunnenbetriebe ihre Erzeugnisse für gewöhnlich nicht unter einer gemeinsamen Marke vertreiben, trat demgegenüber in den Hintergrund. Im Ergebnis bejahte der BGH die Warenähnlichkeit. Der Warenabstand sei „noch nicht einmal … besonders groß“. Die Auseinandersetzung fand damit jedoch kein Ende, da die Parteien vor dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) ein paralleles Widerspruchsverfahren gegen eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung „REVIAN’s“ führten und dort die Beurteilung umgekehrt ausfiel. Widerspruchsabteilung und auch Beschwerdekammer gewichteten die Faktoren anders als der BGH mit dem Ergebnis, dass ein „erheblicher Warenabstand“ vorliege (Entsch. v. 22.7.2005 – R 82/2002-4). Da die Sache also nicht eindeutig ist, setzten die Parteien ihren Streit auch vor den deutschen Gerichten bis hin zum Bundesverfassungsgericht fort (Nichtannahmebeschluss v. 18.10.2004 – 2 BvR 318/03), ohne allerdings einen Meinungsumschwung herbeizuführen.

Der Beschluss vom 19. Juli 2007, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das letzte, eine Verwechslungsgefahr bejahende Urteil des OLG Hamburg zurückgewiesen wurde, dürfte der Schlusspunkt des deutschen Teils der Auseinandersetzung sein. Der BGH sah sich nicht gehalten, nun auch noch im Wege eines Vorlagebeschlusses den EuGH mit der Frage zu befassen. Die Anwendung der Grundsätze aus der „CANON“-Entscheidung sei Aufgabe der Gerichte der Mitgliedstaaten. Dies ist ein Stück weit fraglich, denn der EuGH hat sich zwischenzeitlich in seinem Urteil „Sunrider“ zu Beurteilungskriterien für die Ähnlichkeit im Getränkebereich geäußert und dabei sowohl auch Alkoholfreiheit und Befriedigung desselben Bedürfnisses als Kriterien erwähnt (Az.: C 416/04 P). Dies könnte dafür sprechen, dass der EuGH im Sinne einer weiteren Harmonisierung die Grundsätze aus seiner „CANON“-Entscheidung in Bezug auf bestimmte Waren weiter ausformen würde, wenn denn die nationalen Gerichte ihn ließen. Sinnvoll wäre das, damit markenrechtliche Kollisionen im Sinne der gewünschten Harmonisierung EU-weit möglichst einheitlich beurteilt werden.

Möglicherweise bekommt der EuGH doch noch Gelegenheit, sich zur Ähnlichkeit von Wein und Wasser zu äußern. Denn die Parteien des vorliegenden Streits haben Ausdauer bewiesen und das europäische Verfahren mittlerweile vor das Europäische Gericht erster Instanz gebracht (Az.: T 407/05), also die Vorinstanz vor dem EuGH.