Patentschutz setzt neben Neuheit der zu schützenden Erfindung voraus, dass sie auf „erfinderischer Tätigkeit“ beruht. Sie darf sich für einen Durchschnittsfachmann nicht in „naheliegender Weise aus dem Stand der Technik“ ergeben (Art. 56 EPÜ, § 4 PatG). Wer bei für seine Erfindung Zweifel hat, ob dies gegeben ist, aber gleichwohl den Exklusivschutz eines Schutzrechts anstrebt, hat bisher stets auf das Gebrauchsmuster zurückgegriffen. Nach dem Gesetz verlangt dies nur einen „erfinderischen Schritt“ (§ 1 Abs. 1 GbmG). Es war bislang nahezu einhellig anerkannt, dass dafür eine geringere erfinderische Leistung genügte als für ein Patent. So hat es das Bundespatentgericht noch in einem Beschluss vom 15. Okt 2003 gesehen (5 W (pat) 420/02 – Materialstreifenpackung; früher ebenso BGH, Urt. v. 2.11.1956 – Unfall-Verhütungsschuh).

Gut eineinhalb Jahre später kamen dem Gericht Zweifel. Per Beschluss vom 19. Mai 2005 ließ es eine Rechtsbeschwerde zum BGH zur Klärung eben der Frage zu, ob sich der „erfinderischer Schritt“ des Gebrauchsmusterrechts von der „erfinderischen Tätigkeit“ des Patentrechts unterscheide (5 W(pat) 405/04).

Der BGH entschied sich gegen die bisher vorherrschende Sichtweise (Beschl. v. 20.6.2006 – X ZB 27/05). Er stellte fest, dass es sich sowohl beim „erfinderischen Schritt“ als auch bei der „erfinderischen Tätigkeit“ um ein qualitatives und kein quantitatives Kriterium handele. Damit erteilt das Gericht jedweder Art von „Vermessung“ der erfinderischen Leistung eine Absage, womit einer Differenzierung zwischen den Anforderungen für Patent und Gebrauchsmuster in diesem Punkt die Grundlage entzogen ist. Zur Begründung gibt der BGH an, brauchbare Kriterien zur Abgrenzung gebe es gar nicht. Die Schutzwirkungen eines Gebrauchsmusters seien, abgesehen von der lediglich zehnjährigen Laufzeit, dieselben wie die eines Patents. Zwar vermeidet der BGH ein ausdrückliches Bekenntnis, dass „erfinderische Tätigkeit“ und „erfinderischer Schritt“ ein- und dasselbe seien. Er erteilte der bisherigen Praxis zur Beurteilung der Schutzfähigkeit von Gebrauchsmustern aber eine klare Absage. Denn es verbiete sich, naheliegende Neuerungen über das Gebrauchsmusterrecht zu monopolisieren, nur weil ein Fachmann sie nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Stands der Technik ohne weiteres finden kann.

Dieser neuen Rechtsprechung könnten etliche Gebrauchsmuster zum Opfer fallen. Denn bisher war der vermeintlich geringere Grad an erfinderischer Leistung oft der ausschlaggebende Grund dafür, anstelle eines Patents ein Gebrauchsmuster anzumelden. Allerdings sind die Schutzvoraussetzungen nach wie vor nicht identisch. So können mündliche Beschreibungen und Benutzungen im Ausland vor dem Anmeldetag einem Patent entgegenstehen, einem Gebrauchsmuster hingegen nicht. Besonders zu beachten ist auch die „Neuheitsschonfrist“ („Grace Period“), durch die Veröffentlichungen durch den Erfinder selbst im letzten Halbjahr vor der Anmeldung unschädlich sind. Diese Frist gilt nur für das Gebrauchsmuster, nicht für das (deutsche und europäische) Patent.