Spätestens seit dem „Jette Joop“-Urteil des BGH (Urt. v. 7.12.2010 – KZR 71/08) muss beim Abschluss von Abgrenzungsvereinbarungen zur Beilegung von potentiellen Markenkollisionen auch deren kartellrechtliche Wirksamkeit berücksichtigt werden. Denn seit jener Entscheidung ist jedenfalls dann von einer Kartellrechtswidrigkeit einer solchen Vereinbarung auszugehen, wenn bei deren Abschluss kein ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zur Annahme bestand, der begünstigten Vertragspartei stehe ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu (vgl. auch BGH, Urt. v. 21.4.1983 – I ZR 201/80 – Vertragsstrafenrückzahlung).

Dieser Grundsatz gilt aber nach einem vor kurzem veröffentlichten Urteil des BGH allerdings nicht, wenn zwischen den Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gar kein Wettbewerb bestand (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2015 – KZR 92/13 – Pelican/Pelikan). Denn eine Abgrenzungsvereinbarung kann nur dann als eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung i. S. v. § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. deren Vorgängerregelungen angesehen werden, soweit damit die Beschränkung eines jedenfalls potentiellen Wettbewerbsverhältnisses bezweckt oder bewirkt wird.

Maßgeblich ist dafür aber nach Auffassung des BGH weniger der Schutzbereich der Marken – ob also der begünstigten Vertragspartei ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch zusteht oder nicht. Vielmehr muss zwischen den Parteien bei Vertragsschluss ein aktives oder zumindest potentielles Wettbewerbsverhältnis bestehen. Entscheidend hierfür ist jedoch, ob sich die Vertragsparteien aus Nachfragersicht auf einem Angebotsmarkt von Produkten gegenüberstehen, die aufgrund von Eigenschaften, Verwendungszweck oder Preisniveau miteinander austauschbar sind. Im Gegensatz dazu können bei der Beurteilung des Schutzbereichs einer Marke auch zusätzliche Aspekte wie eine Ergänzungsfunktion oder Vertriebsaspekte eine Produktähnlichkeit begründen. Für ein potentielles Wettbewerbsverhältnis muss zudem ein baldiger Eintritt im relevanten Produktmarkt durch konkrete Anhaltspunkte nahegelegt sein, wofür aber der Abschluss der Abgrenzungsvereinbarung als solche oder die bloße Anmeldung einer verwechslungsfähigen Marken aus kartellrechtlicher Sicht noch nicht ausreichen (vgl. BGH, aaO, Rn. 31 u. 35).

Und selbst wenn einer Abgrenzungsvereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung – insbesondere auch gegenüber Dritten – zu entnehmen sein sollte, wird sich bei den meisten Vereinbarungen die Frage der Spürbarkeit derartiger Beschränkungen stellen. So konnte der BGH im entschiedenen Fall jedenfalls keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung erkennen, da es der verpflichteten Partei ohne weiteres möglich war und ist, auf dem Produktmarkt mit anderen von ihr benutzten Marken tätig zu werden (vgl. BGH, aaO, Rn. 44). Ein genereller Anspruch auf eine spezifische Vermarktungsform („one world – one brand“) bestehe nämlich nicht, insbesondere dann nicht, wenn dem ältere Markenrechte entgegenstehen.

Neben der Prüfung der markenrechtlichen Produktähnlichkeit und damit der Reichweite der Abgrenzungsvereinbarung muss bei deren Abschluss also immer auch die konkrete Wettbewerbssituation der Vertragsparteien berücksichtigt werden. Eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung wird allerdings wohl erst dann anzunehmen sein, wenn ein Ausweichen auf andere Kennzeichen zu Wettbewerbsnachteilen der verpflichteten Partei gegenüber deren Konkurrenten führt.