Dass Messepräsentationen von Produkten, die in den urheberrechtlichen Schutzbereich für Werke der angewandten Kunst eingreifen, nicht zwangsläufig auch Ansprüche wegen einer Urheberrechtsverletzung nach sich ziehen müssen, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 23.2.2017 – I ZR 92/16 – Mart-Stam-Stuhl). Im entschiedenen Fall wurden das Urheberrecht am Freischwinger-Stuhl des niederländischen Architekten und Designers Mart Stam gegen eine Freischwinger-Gestaltung geltend gemacht, die auf der Möbelmesse ORGATEC 2014 präsentiert wurde. Allerdings wies der Aussteller des angegriffenen Freischwinger-Modells ausdrücklich darauf hin, dass es sich lediglich um einen Prototypen handele, dessen endgültige Produktspezifikation noch nicht feststehe und dass das fertige Modell erst ab 2015 bestellt werden könne.
Das reicht nach Auffassung des BGH aber noch nicht, um eine konkrete Gefahr für die Verletzung des Verbreitungsrechts nach § 17 Abs. 1 UrhG anzunehmen. Zwar kann nach der Rechtsprechung der EuGH zum vollharmonisierten Begriff des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts (Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG) der Rechtsinhaber Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung auch dann verbieten, wenn nicht erwiesen ist, dass es aufgrund dieser Werbung tatsächlich zu einem Erwerb in der EU gekommen ist. Voraussetzung ist aber, dass die Werbung den Verbraucher zum Erwerb des urheberrechtsverletzenden Produkts in der EU anregt (vgl. EuGH, Urt. v. 13.5.2015 – C-516/13 – Dimensione und Labianca/Knoll). Allein aus der Produktpräsentation auf einer Messe im Inland folgt jedoch nicht ohne weiteres, dass der Aussteller das Produkt gegenüber Messebesuchern mit dem Ziel bewirbt, zu dessen späteren Erwerb (im Inland) anzuregen, so nun der BGH. Die erforderliche gezielte Werbung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Aussteller die Messebesucher deutlich darauf hinweist, dass sie das ausgestellte Produkt nicht erwerben oder bestellen können, weil er sich z. B. weitere Produktänderungen vorbehält.
Der BGH führt damit seine Rechtsprechung zu Produktpräsentationen auf Messen konsequent fort, wonach ein Verbot – und damit ein Vorgehen auf der Messe selbst – nur dann in Betracht kommt, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Produkt auch in der beworbenen Gestaltung tatsächlich später im Inland erworben werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2014 – I ZR 133/13 – Keksstangen, zu unlauteren Nachahmungen i. S. v. § 4 Nr. 3 UWG; zum Markenrecht: BGH, Urt. v. 22.4.2010 – I ZR 17/05 – Pralinenform II).