Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH kann es gegen die Grundsätze von Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung verstoßen, wenn der Patentinhaber im Einspruchsverfahren erklärt, für eine bestimmte Ausführungsform keinen Patentschutz zu begehren, dann aber gleichwohl gegenüber dem Einsprechenden Ansprüche aus dem Patent wegen dieser Ausführungsform geltend macht (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1997 – X ZR 73/95 – Weichvorrichtung II). Entsprechendes gilt für Erklärungen in Nichtigkeitsverfahren (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2011 – 2 U 40/11 – Leflunomid/Teriflunomid) sowie in Gebrauchsmustersachen (BGH, Urt. v. 7.6.2006 – X ZR 105/04 – Luftabscheider für Milchsammelanlage).
In seiner aktuellen Leitsatzentscheidung „Fensterflügel“ verallgemeinerte der BGH diese Grundsätze dahin, dass dieselbe Rechtsfolge auch dann eintreten könne, wenn der Patentinhaber in anderem Zusammenhang eine vergleichbare Erklärung abgibt und der Erklärungsempfänger in berechtigtem Vertrauen auf diese Erklärung Handlungen vornimmt, die der Patentinhaber später mit einer Verletzungsklage angreift (Urt. v. 3.11.2020 – X ZR 85/19). Im Streitfall ging es um die Erklärung eines Patentinhabers, mit der er eine negative Feststellungsklage abgewehrt hatte. Jene Äußerung ging dahin, dass man sich „derzeit“ keiner Ansprüche in Bezug auf die vorliegend nun strittige Ausführungsform berühme. Als der Patentinhaber dann aber in einem Folgeprozess diese Ausführungsform dennoch angriff, hielt ihm der vormalige Gegner die frühere Erklärung entgegen. Dem ist der BGH nun insoweit gefolgt, als dass die Berufung auf eine solche Erklärung grundsätzlich möglich sei. Im Streitfall hat er die mit der Einschränkung „derzeit“ versehene Erklärung inhaltlich allerdings nicht genügen lassen.
Da der BGH nicht darauf abgestellt hat, ob die Erklärung des Patentinhabers innerhalb eines rechtsförmlichen Verfahrens abgegeben worden ist, bedeutet die Entscheidung für die Praxis, dass Patentinhaber auch außerhalb solcher Verfahren darauf zu achten haben, wie sie sich zu konkreten Verletzungsfragen äußern.