Wer vor dem Anmelde- bzw. Prioritätstag eines in Deutschland eingetragenen Designs eines anderen im Inland ein identisches Design, das unabhängig von einem eingetragenen Design entwickelt wurde, gutgläubig in Benutzung genommen oder wirkliche und ernsthafte Anstalten dazu getroffen hat, hat damit nach dem DesignG ein sog. Vorbenutzungsrecht erworben, aufgrund dessen er das betreffende Design trotz des jüngeren Designschutzes des anderen weiterhin benutzen darf (vgl. zu Patent- und Gebrauchsmusterrecht Beitrag vom 6.8.2012, hingegen zum Markenrecht Beitrag vom 15.7.2009).
Obwohl dieses Vorbenutzungsrecht nicht in der dem DesignG zugrunde liegende EG-Geschmacksmusterrichtlinie vorgesehen ist, hat der BGH nun klargestellt, dass sie dem EU-Recht nicht widerspricht (Urt. v. 29.6.2017 – I ZR 9/16 – Bettgestell). Das ist wenig überraschend, da die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) gegenüber EU-weit gültigen eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern ebenfalls ein Vorbenutzungsrecht vorsieht.
Besondere Beachtung verdient jedoch die zweite Konsequenz, die der BGH aus der nationalen Regelung zieht: Die das Vorbenutzungsrecht begründeten Handlungen müssen im Inland stattgefunden haben, Handlungen in anderen EU-Mitgliedstaaten sollen nicht genügen. Diese Voraussetzung kennt die GGV nicht, dort genügt eine Benutzung (irgendwo) innerhalb der EU, um ein EU-weites Vorbenutzungsrecht zu begründen. Praktische Folge ist, dass nationaler Designschutz in bestimmten Fällen dort greifen kann, wo ein EU-Schutz am Vorbenutzungsrecht scheitern würde.