Hat ein Markeinhaber seine mit der Marke versehene Ware in der EU oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auf den Markt gebracht, kann er die Rechte aus der Marke in Bezug auf diese Ware grundsätzlich nicht mehr geltend machen. Dasselbe gilt, wenn das Inverkehrbringen nicht durch den Markeninhaber selbst, wohl aber mit seiner Zustimmung erfolgt, beispielsweise durch einen Lizenznehmer. In diesen Fällen sind die Rechte an der Marke „erschöpft“.
In der Praxis wirft die Erschöpfung oft schwierige Beweisfragen auf. Nicht selten können – oder wollen – weder der Markeninhaber noch der von ihm belangte Händler den genauen Vertriebsweg der strittigen Ware aufklären. Die deutschen Gerichte sehen die Beweislast allerdings grundsätzlich beim Händler. Jedoch kann die EU-rechtlich gewährte Warenverkehrsfreiheit (Artt. 34, 36 AEUV) Ausnahmen von dieser Regel erfordern, und zwar nach dem Europäischen Gerichtshof dann, wenn es die allgemeine Beweislastregel dem Markeninhaber ermöglichen könnte, die nationalen Märkte abzuschotten und damit die Beibehaltung von etwaigen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu begünstigen (EuGH, Urt. v. 8.4.2003 – C-244/00 – Van Doren + Q).
Diese Ausnahme von der allgemeinen Beweislastregel ist nach dem BGH-Urteil „CONVERSE I“ eng zu verstehen (Urt. v. 15.2.2012 – I ZR 52/10). Im Streitfall vertrieb der US-amerikanische Markeninhaber seine Freizeitschuhe in Europa länderweise über Generalimporteure, von denen jedenfalls einige nicht am Vertrieb an Zwischenhändler in anderen Staaten gehindert waren. Allerdings hatte einer der Generalimporteure öffentlich bekundet, man würde sich gegen „Preisverhau“ zur Wehr setzen. Der BGH erkannte dies zwar als Beleg dafür an, dass der Generalimporteur gegen besonders niedrige Preise seiner Vertragshändler vorgeht. Jedoch genüge das nicht für eine Beweislastumkehr, da nicht erkennbar sei, dass Preisunterschiede innerhalb der EU abgesichert werden sollen. Demnach soll das Hinwirken auf ein gleichmäßig hohes Preisniveau augenscheinlich noch keine Beweislastumkehr rechtfertigen.
Im am gleichen Tag vom BGH entschiedenen Fall „CONVERSE II“ (I ZR 137/10) ging es um Originalschuhe, die von einem ehemaligen, in der EU ansässigen Lizenznehmer des Markeinhabers stammten. Strittig war, ob dieser Lizenznehmer die Waren, die er einige Monate nach Beendigung des Lizenzvertrags weiterverkauft hatte, noch unter dem Vertrag und vom Markeninhaber selbst bezogen hatte. Bei dieser Konstellation sah der BGH kein Bedürfnis für eine Beweislastumkehr: Da der Markeninhaber auf einen aus seinem Vertriebssystem ausgeschiedenen Lizenznehmer keinen Druck mehr ausüben kann, bestehe auch keine Gefahr der Marktabschottung. Das Beweisangebot des Beklagten litt unter formellen Mängeln, so dass der Beweis nicht erhoben und der beweisfällige Beklagte verurteilt wurde.
Dass der BGH die vom EuGH geforderte Beweislastumkehr engherzig handhabt, ist nachvollziehbar. Denn der Markeninhaber hat im Gegensatz zum von ihm in Anspruch genommenen Händler regelmäßig keinen Zugang zu Informationen aus der Lieferkette der strittigen Waren, mit denen sich die Frage der Erschöpfung klären ließe. Dennoch weckt die Schlussfolgerung im Fall „CONVERSE II“ Zweifel. Denn dass der Beklagte dort nicht beweisen konnte, dass besagter Lizenznehmer die Schuhe direkt vom Markeninhaber bezogen hatte, zwang nicht zu dem Schluss fehlender Erschöpfung. Denn es bliebe ja immer noch die Möglichkeit offen, dass der Lizenznehmer von einem anderen EU-Vertragspartner des Markeninhabers beliefert worden war. Der BGH hat diese Möglichkeit wohl deshalb außer Betracht gelassen, weil auch im Beklagtenvortrag nichts dafür sprach. Das zeigt allerdings, dass die Beweislastverteilung bei der Erschöpfungsfrage eine knifflige Einzelfallfrage ist.