Verletzungen technischer Schutzrechte können zuweilen nur nachgewiesen werden, indem ein gerichtlicher Sachverständiger die streitbefangenen Gerätschaften begutachtet.  Nach dem grundgesetzlich gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör haben die streitenden Parteien hierbei im Grundsatz das Recht, der Besichtigung durch den Gutachter beizuwohnen. Wenn die fragliche Anlage Betriebsgeheimnisse verkörpert, die bei der Inaugenscheinnahme offenbar werden, steht dies in Konflikt mit den Geheimhaltungsinteressen des Anlagenbetreibers, die ihrerseits grundrechtlich geschützt sind (BGH, Urt. v. 3.5.2001 – I ZR 153/99 – Spritzgießwerkzeuge).

Der BGH hat nun dazu Stellung genommen, wie ein solcher Konflikt verfahrensrechtlich auszutragen ist (Beschl. v. 18.12.2008 – I ZR 118/07 – Hohlfasermembranspinnanlage). Im Fall klagte ein Unternehmen wegen Verletzung seiner Betriebsgeheimnisse an einer Anlage zum Herstellen von Membranen für Dialysefilter. Der Prozess nahm eine für die Klägerin überraschende Wendung, als der bestellte Gerichtsgutachter den Wunsch äußerte, nicht nur die Beklagtenanlage, sondern auch die der Klägerin zu inspizieren. Die Klägerin wollte einen Ausschluss der Gegenpartei von dieser Besichtigung erwirken, scheiterte jedoch mit einem entsprechenden Antrag beim Landgericht. Eine Beschwerde hiergegen hielt das zuständige Oberlandesgericht Koblenz für zulässig, aber unbegründet. Allerdings ließ es die Rechtsbeschwerde zum BGH zu.

Der I. Zivilsenat des BGH jedoch hielt die Rechtsmittel insgesamt für unzulässig. Anordnungen zur Art und Weise der Beweisaufnahme, wie sie das Landgericht getroffen habe, seien grundsätzlich nicht gesondert anfechtbar. Indessen sei die Klägerin nicht wehrlos. Sie könne auch vor Ort unter Berufung auf ihr Hausrecht die Anwesenheit der unerwünschten Gegenpartei unterbinden. Sofern das auf eine Beweisvereitelung hinausläuft, sei über deren Konsequenzen im Berufungsverfahren über das Endurteil zu befinden. Nach deutschem Zivilprozessrecht sind dann alle Umstände des Falls abzuwägen, eine Beweisvereitelung führt also nicht zwangsläufig zur Niederlage im Prozess (z. B. BGH, Urt. v. 17.1.200823.10.2008 – VII ZR 64/07). – III ZR 239/06; Urt. v. 23.10.2008 – VII ZR 64/07).

Auf den ersten Blick mutet der Beschluss wie eine Zumutung an. Den Streitparteien wird es verwehrt, die Modalitäten einer Besichtigung vorab zu klären, so dass sie bei der Beweisaufnahme „mit harten Bandagen kämpfen“ und u. U. einander die Tür weisen müssen. Andererseits hat die Entscheidung des BGH den Charme, dass die Partei, die ihre Betriebsgeheimnisse gefährdet sieht, die Entscheidung in der Hand behält, ob sie lieber den Verlust des Prozesses riskiert oder die Geheimnisse aufgibt. Um beides zu verhindern, werden Prozessparteien künftig verstärkt zu prüfen haben, ob solchen Konfliktsituationen durch geeignete Prozessführung ausgewichen werden kann. So weist der BGH in seinem Beschluss selbst darauf hin, dass und wie durch geeigneten Sachvortrag Einfluss auf das Beweisthema genommen werden kann. Auch erwähnt er die Möglichkeit, die Relevanz bestimmter Beweisfragen vor der Besichtigung mit dem Sachverständigen zu erörtern. Es sei es auch möglich, dass der Gutachter die Besichtigung zunächst ohne die Parteien vornimmt, um sich von ihrer Notwendigkeit für den Prozess zu vergewissern. Greift ein Gericht dahin gehende Anregungen einer Partei nicht auf, wird diese eine Beweisvereitelung vor dem Berufungsgericht umso leichter rechtfertigen können.