Wie weit der Schutz eines Patents reicht, hängt von seinen Ansprüchen ab. Patentbeschreibung und -zeichnungen sind zur Auslegung heranzuziehen. Grundsätzlich gilt, dass bei Widersprüchen zwischen Patentanspruch und Beschreibung der Anspruch Vorrang hat. Abweichend davon hat der BGH in einem aktuellen Fall (BGH, Urt. v. 12.05.2015 – X ZR 43/13 – Rotorelemente) entschieden, nachdem er unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Beschreibung den als „verunglückt“ klassifizierten Anspruchswortlaut im Sinne der Beschreibung umdeutete.

Beansprucht wurde eine Vorrichtung mit einem ersten Stanzelement und einem zweiten Stanzelement. Beide Stanzelemente sollten zueinander beweglich sein, wobei sich aus dem Anspruchswortlaut heraus schlüssig und widerspruchsfrei ergab, dass das erste Stanzelement feststehend und das zweite Stanzelement beweglich ist. Bei der Abfassung des Anspruchs im Erteilungsverfahren hatte der Verfasser jedoch irrtümlich beide Stanzelemente vertauscht, denn die ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbarten nur Ausführungsformen mit umgekehrter Konstellation (bewegliches erstes Stanzelement; feststehendes zweites Stanzelement). Das Bundespatengericht sah in dem von den Ursprungsunterlagen nicht gedeckten Anspruchswortlaut eine unzulässige Erweiterung und erklärte das Patent für nichtig.

Dem wollte der BGH nicht folgen. Nach seiner Ansicht würde der Fachmann unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Beschreibung den „verunglückten Wortlaut“ (gemeint ist die irrtümliche Vertauschung im Anspruch) richtigerweise im Sinne eines ersten feststehenden Stanzelements und eines zweiten beweglichen Stanzelements auslegen. Damit war auch der Einwand der unzulässigen Erweiterung hinfällig.

Aussagen zum Schutzgegenstand eines Patents erfordern also eine sorgfältige Analyse des Patents insgesamt, nicht nur der Ansprüche. Die Auslegung anhand von Beschreibung und Zeichnungen kann dazu führen, dass der Schutzbereich sich auf einen Gegenstand erstreckt, der nach alleiniger Lektüre des Anspruchs nicht umfasst zu sein scheint. Ebenso ist es umgekehrt möglich, dass ein Gegenstand nicht geschützt ist, der nach alleiniger Lektüre des Patentanspruchs vom Schutz umfasst zu sein scheint.