Bahnbrechende Pioniererfindungen sind leider selten. Der Hauptanteil der zum Patent angemeldeten Erfindungen sind vielmehr Weiterentwicklungen bekannter Lösungen. Ein Teil davon sind „Trivialerfindungen“ bei denen sich der neuheitsbegründende Merkmalsüberschuss darin erschöpft, dass der Fachmann auf sein Standardrepertoire-Fachwissen zurückgreift um die bekannte Lösung möglichst effektiv und effizient zu gestalten. Die Patentierung solcher neuer optimierter Lösungen wird dem Anmelder üblicherweise mit dem Hinweis auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit verwehrt, sollen doch Patente nur für solche neuen Erfindungen erteilt werden, die für einen Fachmann nicht naheliegend, d.h. nicht ohne weiteres möglich sind.

Anmelder derartiger Trivialerfindungen begegnen den entsprechenden Einwendungen der Patentämter oder Dritter häufig mit dem Verteidigungsargument, dass der Stand der Technik keinen Hinweis oder Anregungen in Richtung der Weiterentwicklung gibt und folglich nicht nahe liegend sein kann, was für die Bejahung der erfinderischen Tätigkeit spreche. Mit einfachen Worten, die Erfindung ist erfinderisch weil sie neu ist und das Standardrepertoire-Fachwissen wird ignoriert.

In seiner aktuellen Leitsatzentscheidung „Farbversorgungssystem“ (Urt. v. 11.3.2014 – X ZR 139/10) hat der BGH klargestellt, dass dies zu kurz greift und das Standardrepertoire-Fachwissen bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht ausgeblendet werden darf, jedenfalls solange nicht, wie im konkreten Fall keine besonderen Umstände dagegen sprechen. Der Leitsatz der Entscheidung lautet im Einzelnen:

„Gehört eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs, kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung bereits dann bestehen, wenn sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen.“

Wie üblich nahm der BGH auf den konkret zu entscheidenden Fall Stellung, hier die Berücksichtigung des Standardrepertoire-Fachwissens eines Ingenieurs im Bereich des Maschinenbaus. Das dies aber auch für andere Bereiche, beispielsweise das Gebiet der Medizin, gilt, kann man aus der BGH-Leitsatzentscheidung „Kollagenase I“ (Beschluss v. 25.2.2014 – X ZB 5/13) ersehen, deren Leitsatz in Bezug auf §4 PatG (erfinderische Tätigkeit) ebenfalls klarstellt:

„Bei der Prüfung, ob eine spezifische Anwendung eines Medikaments auf erfinderischer Tätigkeit beruht, sind auch Handlungsweisen zu berücksichtigen, die dem Fachmann deshalb nahegelegt waren, weil sie am Prioritätstag zum ärztlichen Standard-Repertoire gehörten.“