Soll ein neues Produkt durch ein Patent geschützt werden, so ist normalerweise zügige Einreichung der Patentanmeldung geboten. Die Schutzfähigkeit wird an allen Innovationen gemessen, die am Anmeldetag bereits veröffentlicht waren. Zu diesem „Stand der Technik“ zählen insbesondere die bereits auf dem Markt befindlichen eigenen und Konkurrenzprodukte.
Ab wann jedoch ein Produkt „auf dem Markt“ ist, so dass es zum Stand der Technik gehört, ist zuweilen nicht ganz leicht zu beantworten. Oft gibt es keinen fest datierten „Produktlaunch“, mit dem bis dato streng geheim gehaltenes Know-how sprichwörtlich zu Markte getragen wird. Vielmehr gelangen die Produktdetails meist nach und nach an die Öffentlichkeit, etwa indem zunächst ausgewählte Kunden Informationen und Prototypen erhalten und sich daraus dann die eigentliche Vermarktung nach und nach entwickelt.
Um die schier unendliche Zahl denkbarer Fallkonstellationen in den Griff zu bekommen, hat die Rechtsprechung eine Reihe von Grundsätzen für den Umgang mit solchen Fällen entwickelt. Einer davon besagt, dass bereits eine einzelner Liefervorgang neuheitsschädlich sein kann, weil und soweit damit eine nicht nur theoretische Möglichkeit geschaffen wird, dass ein unbegrenzter Personenkreis die Innovation am gelieferten Kaufgegenstand wahrnehmen kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.1965 – Ia ZR 117/64 – Pfennigabsatz).
Was aber gilt, wenn der Kaufgegenstand zwar erst nach der Patentanmeldung ausgeliefert, aber vorher immerhin schon angeboten wurde? – Auf einen solchen Sachverhalt war eine Nichtigkeitsklage gegen ein Patent gestützt, über die der BGH jüngst zu befinden hatte. Dessen zuständiger X. Zivilsenat urteilte, dass es dann ausschließlich auf den Angebotsinhalt ankommt (BGH, Urt. v. 8.7.2008 – X ZR 189/03 – Schalungsteil). Er vermisste die fraglichen Informationen in den schriftlichen Angebotsunterlagen und war nicht bereit, Rückschlüsse aus der späteren Lieferung auf den Angebotsinhalt zu ziehen.
Der Anmeldetag ist also eine Wasserscheide für den für die Schutzfähigkeit eines Patents relevanten „Stand der Technik“. Auf Informationen, deren Zugänglichkeit vor diesem Tag nicht belegbar ist, sollte ein Angriff auf ein Patent gar nicht erst gestützt werden. Umgekehrt kann allerdings ein „Liefervorschlag“ auch ohne die Lieferung genügen, „sofern der Vorschlag nur in eindeutiger Weise alle technischen Einzelheiten enthält, die für die Herstellung durch andere Fachleute notwendig sind“ (BGH, Beschl. v. 11.7.1974 – X ZB 9/72 – Ladegerät II). Im Vorteil ist folglich derjenige, der seine Produkteinführungen sorgfältig dokumentiert.