Um Wettbewerbsvorteile aufzubauen, machen Vertriebsfirmen den Produktherstellern bei Gelegenheit Vorschläge für Weiterentwicklungen der Produkte. Eine Patentanmeldung wurde in diesen Fällen häufig noch nicht eingereicht. Ob mit diesem Vorschlag eine offenkundige Vorbenutzung und damit Stand der Technik gemäß Art. 54 Abs. 2 EPÜ und § 3 Abs. 1 PatG geschaffen wird, hängt davon ab, ob die erfindungsgemäße Lehre mit dem Vorschlag zur Zusammenarbeit offenkundig geworden ist.

 

In einem aktuellen Fall (BGH, Urt. v. 09.12.2014 – X ZR 6/13 – Presszange) hat die Klägerin vorgetragen, dass eine manuelle Antriebsvorrichtung für eine Pressvorrichtung durch einen Vorschlag zur Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern offenkundig geworden sei. Der BGH teilte jedoch die Meinung des Bundespatentgerichts, dass der bloße Vorschlag zur Zusammenarbeit keine Offenkundigkeit der Erfindung begründen könne. Beide Vertragspartner hätten auch ohne schriftliche Geheimhaltungsvereinbarung ein Interesse an einer Geheimhaltung der Neuentwicklung gehabt, um später von ihr zu profitieren.

 

Auch der vor dem Prioritätstag erfolgte Vertrieb von Pressvorrichtungen mit Öffnungen zum Anschluss der noch in Entwicklung befindlichen manuellen Antriebsvorrichtung könne nicht begründen, dass die Erfindung auf Grund des Vorschlags der Zusammenarbeit offenkundig geworden war. Um zu einer entsprechenden Schlussfolgerung zu gelangen, fehlten konkrete Anhaltspunkte, dass die Kundgabe der erfindungsgemäßen Lehre tatsächlich erfolgt sei.

 

Ein wahrscheinlich erfolgter Hinweis an die Abnehmer der Pressvorrichtungen, dass die Öffnungen für eine noch zu entwickelnde Vorrichtung gedacht seien, lasse ebenfalls nicht sicher auf einen Kommunikationsakt schließen, durch den die Offenkundigkeit des Erfindungsgegenstands entstanden sein könnte. Die sich daraus erschließende allgemeine Bereitschaft des Erfindungsbesitzers, die Erfindung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, reiche nicht aus, um auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine tatsächlich erfolgte Offenbarung der Erfindung schließen zu können.

 

Für die Praxis bedeutet dies, dass zur Geltendmachung der Offenkundigkeit einer Vorbenutzung genau zu prüfen ist, ob die Weiterverbreitung der erfindungsgemäßen Lehre an beliebige Dritte nach der Lebenserfahrung auf Basis eines feststehenden Kommunikationsaktes zu erwarten war.

 

Um Diskussionen im Streitfall zu vermeiden, ist Erfindern, die vor Anmeldung eines Patents bereits mit potentiellen Vertragspartnern in Verhandlung treten möchten, der Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung anzuraten.