In Patentstreitigkeiten kommt gerichtlichen Sachverständigen häufig eine streitentscheidende Rolle zu. Zwar dürfen die Gerichte ihnen nicht die Anspruchsauslegung wie auch die abschließende Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit überlassen, denn der „Akt der Entscheidungsfindung ist … allein dem Gericht übertragen“ (BGH, Beschl. v. 23.1.2007 – X ZB 3/06; s.a. BGH, Urt. v. 7.9.2004 – X ZR 255/01 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; Urt. v. 11.10.2005 – X ZR 76/04 – Seitenspiegel, dazu unser Beitrag v. 28.6.2007). Jedoch bringen die externen Gutachter einen Großteil des technischen Fachwissens ein, auf dessen Grundlage dann die Prozesse entschieden werden.
Nun gibt es in Patentsachen das Sonderproblem, dass die technische Materie zuweilen sehr speziell ist, so dass nur wenige Sachverständige zur Verfügung stehen. Noch dazu unterhalten versierte Sachverständige oft Unternehmenskontakte innerhalb der einschlägigen Branche, etwa indem Sie als Berater für Konkurrenzunternehmen der Streitparteien aktiv sind. Solche Unternehmen können selbst in der einen oder anderen Weise von einem Streitpatent betroffen sein, so dass die Problematik auftritt, ob der Gutachter nicht in einen Interessenkonflikt gerät, wenn er in einem Prozess Einfluss auf die Auslegung und Gültigkeit des Schutzrechts nehmen kann. Besonders in Nichtigkeitsberufungsverfahren, wo der zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs routinemäßig Sachverständige hinzuzieht, sind Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit gegen diese Sachverständigen nicht eben selten (s.a. den Beitrag v. 21.8.2007).
Nicht zuletzt, um der Menge an Sachverständigenablehnungen Herr zu werden, hat der BGH in einem Beschluss vom 23. September 2008 recht strenge Maßstäbe an die Rechtzeitigkeit des Antrags aufgestellt (Az.: X ZR 135/04 – Sachverständigenablehnung III). Die betroffene Partei hatte ihren Ablehnungsantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt. Zur Rechtzeitigkeit trug sie vor, erst zwei Werktage zuvor im Internet auf eine Verbindung des Gerichtsgutachters zu einem Unternehmen, das aus dem Streitpatent ebenfalls verklagt war, gestoßen zu sein. Nach normalen Maßstäben wäre eine Zurückweisung als verspätet kaum in Betracht gekommen, denn an sich trifft eine Partei keine Pflicht, von sich aus nach Ablehnungsgründen zu forschen. Dennoch ging der BGH von Verspätung aus. Ausnahmsweise bestehe doch eine Nachforschungspflicht, wenn die Partei bereits konkrete Anhaltspunkte für eine etwaige Befangenheit hat oder aber wenn für sie erkennbar ist, dass die Suche nach einem neuen Gutachter besonders schwierig ist. Letzteres nahm der BGH im Streitfall an.
Da aber die Suche nach geeigneten Gutachtern in Patentsachen so gut wie immer schwierig ist, folgt daraus im Grunde die generelle Obliegenheit für jede an einem Patentstreitverfahren beteiligte Partei, sofort nach Bestellung eines gerichtlichen Gutachters eigene Nachforschungen über die Befangenheit anzustellen.