Damit frei verfügbare technische Lösungen nicht durch Designschutz monopolisiert werden können, besteht an Produktmerkmalen, die ausschließlich durch deren technische Funktion bedingt sind, kein designrechtlicher Schutz (vgl. Art. 8 Abs. 1 GGV, § 3 Abs. 1 Nr. 1 DesignG; vgl. zum Markenschutz: EuGH, Urt. v. 14.9.2010 – C-48/09 P, Rn. 48 – Lego). Nach der EuGH-Rechtsprechung entfällt Designschutz wegen ausschließlich technischer Bedingtheit daher dann, wenn alleiniger Beweggrund des Entwerfers für ein bestimmtes Produktmerkmal das Bedürfnis der Verwirklichung einer technischen Funktion, nicht aber anderweitige Erwägungen mit Blick auf die Merkmalserscheinung waren. Zwar spielt es für den Schutzausschluss insofern keine Rolle, inwieweit technisch gleichwertige Alternativlösungen verfügbar sind (vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-395/16, Rn. 30 – DOCERAM). Jedoch können vorhandene alternative Designvarianten, die dieselbe technische Funktion erfüllen, ein Indiz für das Bedürfnis des Entwerfers sein, ein bestimmtes Designmerkmal auszuwählen. Insoweit ist auch kein „ästhetischer Überschuss“ für die Schutzfähigkeit eines Produktmerkmals erforderlich. Denn ein ästhetischer Gehalt ist gerade keine Voraussetzung für Designschutz (vgl. EuGH, aaO, Nr. 37 – DOCERAM).
Hierzu hat der BGH nun kürzlich entschieden, dass Designschutz auch dann in Betracht kommt, wenn für dasselbe Produkt ein technisches Schutzrecht angemeldet oder erteilt wurde (Urt. v. 7.10.2020 – I ZR 137/19 – Papierspender). Zwar sind Patentansprüche, Beschreibungen sowie Zeichnungen in einer Patentveröffentlichung bei der Beurteilung, ob ein Merkmal ausschließlich durch die technische Funktion des Produkts bedingt ist, im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Insbesondere kann sich daraus ergeben, welche Produktmerkmale die zu Grunde liegende technische Lehre verwirklichen und damit zumindest auch technisch bedingt sind. Fehlen jedoch in der Patentveröffentlichung Erwägungen zum Erscheinungsbild des Produkts bzw. sind darin lediglich Erwägungen zur technischen Funktion enthalten, führt dies nicht dazu, dass ein Produktmerkmal ausschließlich technisch bedingt ist.
Das Vorhandensein einer das Produkt betreffenden Patentveröffentlichung führt allerdings dazu, dass im Streitfall der Designinhaber darzulegen hat, dass und warum es an technischer Bedingtheit der Produktgestaltung fehlt (BGH, aaO, Rn. 28 – Papierspender), während normalerweise umgekehrt sein Gegner die technische Funktionalität dartun müsste. Insoweit verweist der BGH auf die kürzlich zum Urheberrecht ergangene Vorabentscheidung des EuGH zu den Schutzvoraussetzungen eines Werks. Auch danach ist eine Produktform nicht urheberrechtlich schutzfähig, wenn sie ausschließlich durch technische Funktionen bedingt ist. Allerdings sind Patentschriften zum Produkt sowie die Funktion der Produktform zum Erreichen des gleichen technischen Ergebnisses nur dann zu berücksichtigen, sofern sich daraus Erwägungen des Urhebers für die Wahl der Produktform ergeben (vgl. EuGH, Urt. v. 10.6.2020 – C-833/18, Rn. 36 – Brompton).
Um diesem Darlegungserschwernis zu entgehen, empfiehlt es sich, bei Anmeldungen technischer Schutzrechte keine konkreten Produktdarstellungen zu verwenden. Insbesondere Zeichnungen sollten abstrakt das „technisch Nötigste“ zeigen.