Wer wegen Patentverletzung verklagt wird, stellt sich unweigerlich die Frage der Rechtsgültigkeit des Klagepatents. Wenn das Patent angegriffen werden soll, muss dies im Wege einer Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht geschehen (sofern nicht ein Einspruchsverfahren vor dem Patentamt noch möglich ist oder noch läuft). Das für das Verletzungsverfahren zuständige Zivilgericht darf über die Gültigkeit des Klagepatents nicht entscheiden, sondern muss von ihr ausgehen.

Trotz dieser Kompetenzverteilung haben Zivil- und Bundespatentgericht zuweilen dieselben Fragen zu entscheiden, nämlich dann, wenn es um die Auslegung der Patentansprüche geht. Das Verständnis der Anspruchsmerkmale darf in der Frage des Rechtsbestandes des Schutzrechts kein anderes sein als in der Verletzungsfrage. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Patentschutz Gegenstände erfasst, für die es eigentlich kein Patent hätte geben dürfen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn das Patentgericht ein Merkmal eng auslegt, so dass es sich wesentlich vom Stand der Technik abhebt, das Verletzungsmerkmal dasselbe Merkmal jedoch in einem weiteren Sinne versteht, so dass Verletzungformen erfasst werden können, die dicht am Stand der Technik liegen oder sogar zu ihm gehören.

Um solche Diskrepanzen möglichst zu vermeiden, hat sich seit langem etabliert, die Entscheidung des Bundespatentgerichts bei der Auslegung des Patents zu berücksichtigen. Anerkannt ist das allerdings nur für den Fall, dass das Bundespatentgericht ein Patent eingeschränkt hat. Zum Verständnis der Beschränkung treten die Entscheidungsgründe des Nichtigkeitsurteils an die Stelle der Beschreibung der Patentschrift oder ergänzen diese.

Sehr streitig ist jedoch, wie mit der umgekehrten Situation umzugehen ist, d.h. wenn das Bundespatentgericht die Nichtigkeitsklage abgewiesen hat. Nicht selten beruht eine solche Klageabeweisung auf einem engen Verständnis des Anspruchswortlauts, so dass der unterlegene Nichtigkeitskläger ein vitales Interesse hat, dass diese Auslegung auch im Verletzungsverfahren zugrunde gelegt wird. Dem erteilte der BGH jedoch jetzt eine Absage. In seinem Urteil „Ziehmaschinenzugeinheit“ vom 17. April 2007 (Az.: X ZR 72/05) sah er hierfür „kein Bedürfnis“ und hob das anderslautende Urteil des OLG Düsseldorf auf. Von einer früheren Praxis, wonach klageabweisende Nichtigkeitsurteile ein „Hilfsmittel“ für die Auslegung sein könnten (BGH, Urt. v. 28.11.1963 – Ia ZR 8/63 – Mischmaschine; für den Fall einer Abweisung mit klarstellender Neufassung der Ansprüche: BGH, Urt. v. 7.12.1978 – X ZR 63/75, Auspuffkanal für Schaltgase), rückte er damit ab.

Selbst wenn, so der BGH im jetzigen Urteil weiter, die klageabweisenden Begründungserwägungen Beschreibungsteil geworden wären, könnten sie nicht zu einer engen Auslegung führen, da die Beschreibung eines Patents regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines „die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patenanspruchs“ gestatte. Damit bestätigt der BGH seine Tendenz, eine Auslegung „unter Wortlaut“ nicht zuzulassen. Während er in seiner Entscheidung „Spannschraube“ eben dies noch für möglich zu halten schien (Urt. v. 2.3.1999 – X ZR 85/96 – gegenteilige Entscheidung zum analogen Sachverhalt: Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 12.4.2001 – 4 C.348/1999), stellte er kurz darauf klarstellte, dass regelmäßig erforderlich sei, dass der zur Einschränkung führende Beschreibungsteil im Anspruch einen Niederschlag gefunden hat (Urt. v. 13.4.1999 – X ZR 23/97 – Extrusionskopf).

Auch wenn diese Erwägung konsequent erscheint, besteht die Gefahr, dass ein und dasselbe Patent im Verletzungsverfahren anders ausgelegt wird als im Nichtigkeitsverfahren fort. Abhilfe könnte nur eine Zusammenlegung beider Verfahren in eines schaffen, wie sie die meisten Länder kennen (z.B. USA, Vereinigtes Königreich – wie Deutschland jedoch getrennte Verfahren z.B. in Russland).