Die Erscheinungsform eines Erzeugnisses kann durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster EU-weit geschützt werden, soweit sie gegenüber vorbekannten Designs neu ist und Eigenart aufweist. Neuheit eines Geschmacksmusters ist dann gegeben, wenn sich das Geschmacksmuster in wenigstens einem Merkmal von einem vorbekannten Design unterscheidet. Eigenart liegt vor, sofern ein Geschmacksmuster bei dem informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck als jedes andere Design hervorruft.

In einem obiter dictum hat sich der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in einer aktuellen Entscheidung über die Anforderungen an die Eigenart von Gemeinschaftgeschmacksmustern geäußert (Urt. v. 22.4.2010 – I ZR 89/08 – Verlängerte Limousinen).

In dem vorliegenden Fall wurden Geschmacksmuster langgestreckter Versionen einer Mercedes S-Klasse-Limousine mit der Standardausführung verglichen. Die langgestreckten Versionen wiesen mit der S-Klasse identische Front- und Heckpartien auf und unterschieden sich von der Standardausführung lediglich durch zwischen die Vorder- und Hintertüren eingefügte Karosseriestücke.

Der I. Zivilsenat vertritt in seiner Entscheidung die Ansicht, dass ungeachtet der Übernahme der Erscheinungsmerkmale der Front- und Heckpartie der S-Klasse die langgestreckten Versionen einen „deutlich unterschiedlichen Gesamteindruck“ aufweisen. Er begründet dies mit einer markanten Verlängerung, die die Proportionen gegenüber der Standard-S-Klasse auffallend verändere. Argumente, dass sich die bei den langgestreckten Versionen eingefügten Karosseriestücke in die Gestaltung der Standard-S-Klasse einfügen, ließ der entscheidende Senat nicht gelten. Bereits das Geschmacksmuster einer verlängerten Limousine, bei der gegenüber der Standardausführung lediglich ein Karosseriestück eingefügt wird, weist nach Meinung des I. Zivilsenates also ausreichend Unterscheide gegenüber dem Design der Basisversion auf, um Eigenart zu bejahen.

Mit diesem Urteil spricht sich der BGH für eine großzügige Beurteilung der Eigenart von Geschmacksmustern aus. Bereits vergleichsweise geringe und mehr oder weniger typische Unterschiede zu einem vorbekannten Design können ausreichend sein, um Eigenart zu bejahen. Anders als z.B. bei der erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht oder im alten Geschmacksmusterrecht wird dabei auch keine über das gewöhnliche Maß hinausgehende, schöpferische Leistung des Entwerfers verlangt, worauf der Senat ausdrücklich hinweist.

Da die Anforderungen für die Schutzfähigkeit eines Geschmacksmusters nach diesem Urteil als nicht besonders hoch einzustufen sind, sich eingetragene Geschmacksmuster aber immer häufiger als scharfes Schwert gegenüber Mitbewerbern erweisen, empfiehlt es sich, neue Designs, aber auch Weiterentwicklungen und Designvarianten eines bereits vorhandenen Designs zum Geschmacksmuster anzumelden.