Die unlautere Nachahmung eines Produkts ist nach Wettbewerbsrecht verboten. Die Unlauterkeit kann sich daraus ergeben, dass die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen, und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Immer wieder stellt sich die Frage, inwieweit es dem Nachahmer auch bei technisch bedingten Merkmalen zugemutet werden kann, Abstand zum Original einzuhalten. Technische Lösungen, die nicht unter dem Schutz eines Patents oder eines Gebrauchsmusters stehen, sind nämlich grundsätzlich für jedermann frei verfügbar.
In seiner früheren Rechtsprechung hatte der BGH die Nachahmung technisch bedingter Merkmale großzügig zugelassen. Danach war es nicht unlauter, angemessene technische Lösungen zu übernehmen. Bei einem Handtuchhalter mit einem Klemmschlitz als Aufhängevorrichtung beispielsweise gehörte es nach dieser Rechtsprechung zum Bereich des technisch Angemessenenen, dass als Material mattpolierter Edelstahl verwendet wurde, dass die Grundplatte rechteckig war, bestimmte Größenverhältnisse aufwies und auf bestimmte Art vorgewölbt war. Da der Handtuchhalter kaum weitere Merkmale hatte, genügten geringfügige Abweichungen in dem Nachahmungsprodukt, um den Vorwurf der Unlauterkeit zu vermeiden (Urt. v. 24.03.2005, I ZR 131/02 – Handtuchklemmen).
In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung befasst sich der BGH mit einem Kinderlaufrad, bei dem der Rahmen durch den Gabelkopf hindurchragt, so dass ein zu starkes Einschlagen des Lenkers verhindert wird. Zwar – so der BGH – handele es sich bei dieser Gestaltung des Gabelkopfs um eine technisch angemessene Lösung. Jedoch gebe es zahlreiche andere Gestaltungen, mit denen ein zu starkes Einschlagen des Lenkers ebenfalls verhindert werden könne. Die betreffende Gestaltung des Gabelkopfes sei folglich nicht technisch notwendig und es sei zur Vermeidung von Herkunftstäuschungen zumutbar, eine andere technische Gestaltung zu wählen (Urt. v. 28.05.2009, I ZR 124/06 – LIKEaBIKE). Dies ist innerhalb kurzer Zeit die zweite Entscheidung, in der der BGH die Annäherung an technisch bedingte Merkmale eines Originalprodukts als unlauter eingestuft hat (siehe dazu Beitrag vom 5.10.2009).
Es ist also erhöhte Vorsicht geboten, die Nachahmung eines Produkts mit der Begründung für wettbewerbsrechtlich zulässig zu halten, dass die nachgeahmten Merkmale technisch bedingt seien. Wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist die Übernahme technischer Merkmale nur dann, wenn die Gestaltung technisch zwingend notwendig ist.