Mit nun veröffentlichter Leitsatzentscheidung vom 15. Juli 2010 hat der BGH eine Klage endgültig abgewiesen, mit der über das UWG der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln mit Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat untersagt werden sollte (Az.: I ZR 99/09 – Gelenknahrung II). Glucosaminsulfat ist ein in Reinform in der Natur nicht vorkommendes Salz, Chondroitinsulfat ein natürlicher Bestandteil des Gelenkknorpels, der insbesondere aus Haifischknorpel isoliert werden kann. Das angegriffene Nahrungsergänzungsmittel sollte dem Knorpelaufbau in Gelenken dienen. Nach Auffassung des Klägers hätte es für die Verwendung der Substanzen einer Zulassung bedurft, denn beide Substanzen seien nach der Definition des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) Lebensmittel-Zusatzstoffen gleichgestellt. Ohne Zulassung sei das Produkt nicht verkehrsfähig und sein Vertrieb wettbewerbsrechtlich zu untersagen.
Der BGH schloss sich dem insoweit an, als dass der Vertrieb nicht verkehrsfähiger Lebensmittel durchaus über das Wettbewerbsrecht verboten werden könnte, da die einschlägigen Vorschriften des LFGB „Marktverhaltensregelungen“ darstellten. Auch unterstellte er zugunsten der Klägerseite, dass nach dem LFGB eine Zulassung für Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat erforderlich sei, die in der Tat fehlte. In diesem Sinne war beispielsweise auch das Verwaltungsgericht Hamburg in einem Urteil vom 19. Januar 2010 (Az.: 4 K 2003/08) von fehlender Verkehrsfähigkeit von Nahrungsergänzungsmitteln mit Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat mangels Zulassung ausgegangen.
Der BGH hielt aber die deutschen Zulassungsregeln für unvereinbar mit dem EU-Recht. Nach den Anforderungen des EuGH müsse die zuständige Behörde auf Antrag „eine eingehende einzelfallbezogene Prüfung, bei der die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt werden,“ vornehmen. Im Fall der Zulassung müsse der geprüfte Stoff in eine nationale Liste zugelassener Stoffe aufgenommen werden, bei Ablehnung müsse die Entscheidung gerichtlich anfechtbar sein (z. B. EuGH, Urt. v. 28.1.2010 – C-333/08 – Kommission/Frankreich). Das starre deutsche System basierend auf der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung von 1981 mit ihren Anhängen genüge dem nicht. Deshalb sei die derzeit in Deutschland geltende Zulassungspflicht nicht mit EU-Recht vereinbar, so dass ein Verstoß dagegen auch nicht über das Wettbewerbsrecht geahndet werden könne.
Damit ist das Urteil der Sache nach eine Aufforderung an den deutschen Gesetzgeber, seine Zulassungsregeln nachzubessern. Bis das geschieht, wird es schwieriger, gegen den Vertrieb von Produkten mit zweifelhaften Inhaltsstoffen vorzugehen. Wichtig ist allerdings, dass der BGH nicht generell über die Verkehrsfähigkeit von Nahrungsergänzungsmitteln mit Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat entschieden hat. Er ließ ausdrücklich offen, ob der Vertrieb nicht doch wegen mangelnder Sicherheit des Produkts und damit Verstoßes gegen Art. 14 der „Basisverordnung“ für Lebensmittel (Verordnung (EG) Nr. 178/2002) verboten werden könnte. Ein solches Verbot erfordert vom Kläger natürlich erheblich aufwendigeren Sachvortrag als der bloße Verstoß gegen eine Zulassungspflicht und war im Streitfall auch nicht geltend gemacht worden.