Damit ein Zeichen als Marke schutzfähig ist, muss es insbesondere konkrete Unterscheidungskraft aufweisen. Dies bedeutet, dass sie geeignet sein muss, die mit ihr versehenen Waren als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (BGH, Beschl. v. 11.5.2000 – I ZB 22/98 – Rational Software Corporation; EuGH, Urt. v. 8.4.2003 – C-53/01 bis C-55/01, GRUR 2003, 514, 517 – Linde u.a.).
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Zeichen in Bezug auf eine bestimmte Ware (oder Dienstleistung) eine solche Eignung hat, besteht ein gewisser Spielraum. Somit stellt sich die Frage, ob ein mehr oder weniger strenger Prüfungsmaßstab anzulegen ist. Bei der Einführung des geltenden deutschen Markengesetzes zum 1. Januar 1995 (s. dazu den Beitrag v. 18.10.2007) sprach sich der Gesetzgeber für eine sehr großzügige Handhabung aus. Es sollte „jede, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft“ ausreichen. Dies griff die deutsche Rechtsprechung sogleich auf (BGH, Beschl. v. 9.2.1995 – I ZB 21/92 – quattro II: „jede, wenn auch noch so geringe, Unterscheidungskraft“ sollte genügen). Überwiegend hielt sich diese Sichtweise bis in die jüngste Zeit (BPatG, Beschl. v. 27.9.2007 – 29 W (pat) 163/04 – InfoVoice: „jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden“).
In einer Leitsatzentscheidung vom 24. Okt 2007 in einem Markenlöschungsverfahren hat der für Markensachen zuständige 28. Senat des Bundespatentgerichts die Akzente verschoben. So sei die Unterscheidungskraft „nicht etwa bereits dann zu bejahen, wenn es nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass ein angemeldetes Zeichen bei entsprechend herausgestellter Verwendung nicht doch noch von einem Teil des Verkehrs als Marke angesehen wird“ (Az.: 28 W (pat) 103/06 – Leonardo Da Vinci). Einer „Reduzierung des Prüfungsmaßstabs über die Abgrenzung von Begriffen wie ,fehlende Unterscheidungskraft’ und ,minimale Unterscheidungskraft’ “ erteilte der Markensenat eine Absage. Hintergrund dieses merklichen Wandels der deutschen Sichtweise dürfte die Rechtsprechung des EuGH sein, der in Fragen des harmonisierten Markenrechts die oberste Auslegungsinstanz ist (s. den Beitrag v. 31.3.2006). Der Gerichtshof hatte sich bereits vor geraumer Zeit dafür ausgesprochen, dass die Prüfung der Schutzfähigkeit „nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden darf.“ (Urt. v. 6.5.2003 – C 104/01 – Libertel). Vielmehr müsse die „Prüfung … streng und vollständig sein“ (a.a.O.). Somit kommt der jetzige BPatG-Beschluss „Leonardo Da Vinci“ nicht von ungefähr. Es ist abzusehen, dass auch die anderen Markensenate zu dieser Praxis übergehen.
An der Entscheidung ist auch interessant, dass es um die Schutzfähigkeit von Namen bekannter Persönlichkeiten geht. Hierzu hatte der 29. Senat kürzlich eine Grundsatzentscheidung gefällt, in der er Fallgruppen zum Umgang mit dieser Frage aufstellte (s. den Beitrag v. 24.10.2007). Diese Fallgruppen übernahm der 28. Senat nun nicht. Vielmehr geht er davon aus, dass solche Marken „in aller Regel“ schutzunfähig sind, wobei Ausnahmen möglich sind (wozu das Gericht auf die Entscheidung 32 W (pat) 165/04 GEORG-SIMON-OHM verwies, die einen Sonderfall betraf). Auch die konkrete grafische Ausgestaltung des Namenszugs „Leonardo Da Vinci“ in der Streitmarke half nicht, um den Löschungsantrag abzuwehren. Vielmehr würde sie den Verkehr dazu verleiten, die Markengestaltung fälschlicherweise als Unterschrift Leonardos zu deuten, womit der eigentliche – schutzunfähige – Name wiederum im Vordergrund stünde.