Dass es sich beim Vertrieb von Markenprodukten von vornherein lohnen kann, auf eine durchdachte Strategie bei der Produktkennzeichnung zu achten, zeigt ein jüngst vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedener Fall zur Verwendung von Echtheitszertifikaten bei Software. Die Entscheidung unterstreicht, dass der Vertrieb von bereits in Verkehr gebrachten Waren unter Verwendung von beispielsweise Kontrollnummern oder Echtheitszertifikaten wirksam gesteuert werden kann.
Im entschiedenen Fall (Urt. v. 6.10.2011 – I ZR 6/10 – Echtheitszertifikat) war Software als OEM-Version der Markeninhaberin und Klägerin zunächst an Computerhersteller geliefert worden. Bei Lieferung der Computer mit der aufgespielten Software an Endkunden erwarben Letztere entweder zugleich die Software auf einem gesonderten Datenträger oder konnten im Nachhinein eine sog. Recovery-CD beim Computerhersteller anfordern. Auf diesen war der Markenname der Klägerin angebracht. Gleichzeitig waren auf den ausgelieferten Computern Echtheitszertifikate von der Klägerin mit einer Seriennummer befestigt, die allerdings nicht an eine konkrete Recovery-CD gebunden war. Die Beklagte erwarb nun aus Altbeständen entsprechende Recovery-CDs als Datenträger und versah diese mit jenen Echtheitszertifikaten, die zuvor an den Computern angebracht waren. Die Klägerin wandte sich gegen den Vertrieb dieser modifizierten Datenträger und konnte sich letztlich in allen Instanzen durchsetzen.
Streitpunkt des Verfahrens war, inwieweit die markenrechtlichen Befugnisse an den Datenträgern im Sinne des § 24 MarkenG erschöpft waren, d.h. der Markeninhaber nach Inverkehrbringen der Recovery-CDs mit seiner Zustimmung deren Vertrieb nicht mehr unterbinden konnte. Einer Benutzung der Marke im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren kann sich der Markeninhaber nämlich nur aus berechtigten Gründen widersetzen. Solche berechtigten Gründe nach § 24 Abs. 2 MarkenG liegen insbesondere dann vor, wenn der Zustand der Ware nach Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert wird. In der Rechtsprechung wird eine solche Berechtigung vor allem schon dann angenommen, wenn die Herkunfts- und Garantiefunktion der Marke beeinträchtigt oder die Unterscheidungskraft der Marke unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird (EuGH, Urt. v. 23.2.1999 (C-63-97) – BMW/Deenik, Rn. 51; BGH, Urt. v. 15.2.2007 – I ZR 63/04 – Parfümtester, Rn. 22). Auch reicht hierfür schon eine Beeinträchtigung der Funktionalität der Ware (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2005 – I ZR 13/02 – SIM-Lock). Im Zusammenhang mit auf der Ware angebrachten Kontrollzeichen ist beispielsweise seit langem anerkannt, dass sich der Hersteller gegen den Weitervertrieb der veränderten Ware dann wenden kann, wenn mit der Entfernung einer Kontrollnummer ein sichtbarer, die Garantiefunktion der Marke berührender Substanzeingriff in die Ware, des Behältnisses oder der Verpackung verbunden ist (BGH, Urt. v. 5.10.2000 – I ZR 1/98 – Kontrollnummernbeseitigung II). Soweit sogar gesetzlich vorgeschriebene Herstellungsnummern nach Inverkehrbringen entfernt worden sind, ist eine solche Beschädigung bzw. Beeinträchtigung der Ware oder Verpackung nicht notwendig (BGH, Urt. v. 21.2.2002 – I ZR 140/99 – Entfernung der Herstellungsnummer III).
Mit der jetzigen Entscheidung des BGH kann nun nicht nur das Entfernen solcher Kontrollnummern, sondern auch das nachträgliche Anbringen von Garantiezeichen – wie die streitgegenständlichen Echtheitszertifikate – als ein berechtigter Grund für den Wegfall der Erschöpfung angesehen werden. Denn aufgrund der Funktion des Zertifikates, die Gewähr dafür zu verstärken, dass die mit der Marke gekennzeichnete Ware unter der Kontrolle der Markeninhaberin hergestellt worden ist, verletze ein nachträgliches Anbringen ohne Zustimmung des Markeninhabers ebenfalls die Garantiefunktion der Marke. Kein Gehör fand die Beklagte mit ihrem Argument, dass die Garantiefunktion deswegen nicht beeinträchtigt wäre, weil ja keines der Echtheitszertifikate einem bestimmten Datenträger zugeordnet werden und eine Verschlechterung oder Veränderung der Datenträgerfunktion damit nicht eintreten könnte. Entscheidend – so der BGH – sei aber für eine Beeinträchtigung der Garantiefunktion in der Weise, dass nur der Markeninhaber mit der Verbindung von Zertifikat und Datenträger ein Kennzeichnungsrecht für sich in Anspruch nehmen könne, nicht aber Dritte.
Unbeachtlich war nach Auffassung des BGH auch, dass der Klägerin keine urheberrechtlichen Befugnisse an den Datenträgern mehr zur Seite standen. Mit deren Inverkehrbringen war zwar das urheberrechtliche Verbreitungsrecht an ihnen erschöpft, denn es können keine auf bestimmte Vertriebswege beschränkten urheberrechtlichen Nutzungsrechte eingeräumt werden (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.2000 – I ZR 244/97 – OEM-Version). Dies spiele aber für die markenrechtliche Beurteilung der Kennzeichnung der Datenträger mit Echtheitszertifikaten keine Rolle. Auch scheitere eine Untersagung des Datenträgervertriebs nicht daran, dass durch Verwendung von Echtheitszertifikaten ein selektives Vertriebssystem etabliert hätte werden können (vgl. BGH – Entfernung der Herstellungsnummer III). Denn die Zertifikate dienen schon nicht der Überwachung eines solchen selektiven Vertriebssystems.