Der BGH hat in den zurückliegenden Jahren wiederholt betont, dass die Verletzungsgerichte in Patentsachen die Auslegung der Patentansprüche nicht einem Gerichtsgutachter überantworten dürfen (s. unser Beitrag v. 26.11.2008). Die Patentauslegung ist Rechtsfrage und kann damit nicht Beweisthema sein; nur die Tatsachengrundlagen der Anspruchsauslegung können ggf. Gegenstand einer Beweisaufnahme sein (also z. B. Fragen „des Vorverständnisses der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen oder die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen sowie die methodische Herangehensweise dieser Fachleute“, s. BGH, Urt. v. 23.10.2007 – X ZR 275/02).
Prozessual hat das zur Folge, dass die Verletzungsgerichte nicht jedem Beweisantrag zur Anspruchsauslegung stattgeben müssen. – In diesem Sinne beschied das Bundesverfassungsgericht einem im Patentstreit unterlegenen Kläger abschlägig (Nichtannahmebeschl. v. 7.10.2009 – 1 BvR 178/09). Dieser hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil die Instanzgerichte den von ihm zur Anspruchsauslegung beantragten Sachverständigenbeweis nicht erhoben hatten. Zwar könne in einem Übergehen eines erheblichen Beweisangebots eine Versagung des grundgesetzlich gewährten „Anspruchs auf rechtliches Gehör“ (Art. 103 Abs. 1 GG) liegen. Ob die Beweisfrage aber überhaupt erheblich sei, unterliege der rechtlichen Bewertung des Verletzungsrichters, die wiederum dem Beweis entzogen ist.
Das hat eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Sachvortrag im Patentverletzungsprozess. Eine Anspruchsauslegung kann nicht als solche unter Beweis gestellt werden. Vielmehr müssen Einzeltatsachen konkret dargelegt und mit Beweisantritten unterfüttert werden. Wer ein Gericht, das den eigenen Standpunkt nicht zugetan ist, zur Beweisaufnahme zwingen will, muss ihm verdeutlichen, dass es auf solche Tatsachen entscheidend ankommt. Besonders sind diese Punkte bei der Vorlage von Privatgutachten zu beachten. Ein Gericht muss nicht bereits deshalb in eine Beweisaufnahme eintreten, weil es dem Auslegungsergebnis eines Privatsachverständigen nicht folgen will.