Ein wichtiger strategischer Aspekt für jedes Unternehmen, das sich in Deutschland und Europa positionieren will, ist der Schutz seines geistigen Eigentums durch Patente. Besonders in sich schnell entwickelnden technologischen Feldern wie z.B. der Biotechnologie, aber auch anderen Gebieten wie z.B. der Medizintechnik ist dies von entscheidender Bedeutung.
Ein großer Kostenfaktor waren dabei bisher die Kosten für die sogenannte „Validierung“ eines europäischen Patents nach seiner Erteilung, was in erster Linie durch hohe Übersetzungskosten verursacht wurde. Eine Patentschrift besteht aus einer Beschreibung, in der Regel mehren Beispielen und den Patentansprüchen, wobei der Umfang der gesamten Patentschrift gerade bei Patentanmeldungen z.B. aus dem Biotechbereich ganz erheblich sein kann. Berücksichtigt man die hier geforderte Genauigkeit der Übersetzung, ist es verständlich, dass ein Übersetzen einer gesamten Patentschrift in eine andere Sprache hohe Kosten verursachen kann.
Europäische Patentanmeldungen werden zunächst im Erteilungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt (EPA) geprüft. Ist der Prüfer von der Patentfähigkeit der Erfindung überzeugt, so erteilt er ein europäisches Patent, wobei die Kosten eines solchen Prüfungsverfahrens abhängig von seiner Länge in der Regel für ein Unternehmen noch tragbar sind. Nach der Erteilung jedoch folgt ein größerer Kostenblock, der auf die anfallenden Übersetzungskosten im Rahmen der „Validierung“ zurückzuführen ist. Ein erteiltes europäisches Patent zerfällt in nationale Teile, je nach dem, welche Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) von dem Anmelder benannt und ausgewählt wurden. Ein europäisches Patent entfaltet nur in solchen EPÜ-Mitgliedsstaaten Wirkung, in denen eine solche Übersetzung eingereicht wurde – in denen es „validiert“ wurde. Die meisten Mitgliedsstaaten verlangen für diese Validierung des Patents in ihrem Territorium eine solche Übersetzung in die jeweilige Amtssprache des betreffenden Staates (z.B. Italienisch, Spanisch, Deutsch, Englisch, Griechisch usw.) falls nicht die Sprache, in der das Patent erteilt wurde (Englisch, Deutsch, Französisch) ohnehin eine Amtssprache des betreffenden Staates ist. Um das Patent in allen 34 EPÜ Mitgliedsstaaten zu validieren, ist immer noch eine Übersetzung in 24 Amtssprachen notwendig, was bisher Kosten von mehreren 10 000 Euro verursacht hat. Ist also das europäische Patent beispielsweise auf Deutsch geschrieben, so ist zur Validierung in beispielsweise Frankreich und Großbritannien das Einreichen einer kompletten Übersetzung ins Französische bzw. Englische notwendig.
Um diese hohen Übersetzungskosten zu reduzieren, wurde am 17. Okt 2000 das Londoner Übereinkommen geschlossen. Nach diesem Übereinkommen verzichtet jeder EPÜ-Mitgliedsstaat, der eine der drei Amtssprachen des EPA (Englisch, Französisch, Deutsch) mit dem EPA gemein hat, vollständig auf das Übersetzungserfordernis. Wenn die Patentanmeldung also in Deutsch geschrieben ist, dann muss sie in Staaten mit Englisch oder Französisch als der offiziellen Sprache nicht noch ins Englische oder Französische übersetzt werden. Daraus ergibt sich eine erste Gruppe von EPÜ-Mitgliedsstaaten, für die nach Inkrafttreten des Londoner Übereinkommens überhaupt keine Übersetzung mehr erforderlich ist (Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Monaco, Schweiz/Liechtenstein, Großbritannien, Irland). Die einzigen Kosten, die für diese erste Gruppe bei der Validierung anfallen können, ist die Benennung von örtlichen Vertretern (also Anwälten) in diesen Ländern.
Eine zweite Gruppe ergibt sich aus Staaten, die das Londoner Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert haben und weder Deutsch, noch Englisch, noch Französisch als ihre Amtssprache haben. Solche Staaten müssen eine dieser drei Sprachen auswählen und eine Übersetzung der Patentschrift in diese Sprache akzeptieren (z.B. Englisch), anstatt eine Übersetzung in die eigene, nationale Amtssprache zu verlangen. Jedoch können solche Staaten immer noch eine Übersetzung der Patentansprüche in die eigene Amtssprache verlangen. Wenn also z.B. Schweden Englisch auswählt und das Patent auch in Englisch geschrieben ist, dann muss keine Übersetzung der Beschreibung mehr eingereicht werden – nur die Patentansprüche müssen ins Schwedische übersetzt werden. Zu dieser zweiten Gruppe von Staaten gehören z.B. Dänemark, Niederlande, Schweden, Island, Slowenien, Albanien, Litauen, Lettland und Mazedonien.
Für den Fall von Streitigkeiten behalten sich aber alle Staaten des Londoner Übereinkommens das Recht vor, eine komplette Übersetzung des Patents zu verlangen. Kommt es also z.B. in Schweden zu einer Klage auf Patentverletzung, so muss für das Patentverletzungsverfahren vor einem nationalen Gericht in Schweden die komplette Patentschrift ins Schwedische übersetzt werden.
Eine dritte Gruppe wird gebildet von EPÜ-Mitgliedsstaaten, die nicht dem Londoner Übereinkommen angehören, da sie noch nicht beigetreten sind. Für diese Staaten wird leider weiterhin alles beim alten bleiben, d.h. es muss eine Übersetzung der kompletten Patentschrift (also von Beschreibung und Patentansprüchen) in die jeweilige Amtssprache dieses Staates eingereicht werden (z.B. Österreich, Belgien, Finnland, Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Polen, Türkei, Zypern). Die gute Nachricht ist allerdings, dass diese dritte Gruppe „dynamisch“ ist, das heißt, weitere Staaten aus dieser Gruppe werden voraussichtlich dem Übereinkommen beitreten. Daher besteht die berechtigte Hoffnung, dass das Übersetzungserfordernis auch für weitere Staaten in Zukunft entfallen wird, und somit der Preis für ein europäisches Patent weitere sinken wird.
Ein Inkrafttreten des Londoner Übereinkommens wurde bislang dadurch verhindert, dass Frankreich das Übereinkommen nicht ratifiziert hat. Nachdem am 26. September 2007 bereits die französische Nationalversammlung ihre Zustimmung erklärt hat, billigte am 9. Okt 2007 auch der Senat das Londoner Übereinkommen. Die letzte noch fehlende Voraussetzung für das Wirksamwerden war die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch Frankreich bei der Bundsregierung in Berlin, wie es im Übereinkommen gefordert ist. Das dieser formale Akt am 29. Januar 2008 vollzogen wurde, kann das Übereinkommen nun zum 1. Mai 2008 in Kraft treten.
Das Londoner Übereinkommen wird auf alle europäischen Patente anwendbar sein, die nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens erteilt werden. Daher ist zu erwägen, das Prüfungsverfahren von europäischen Patentanmeldungen, die kurz vor der Erteilung stehen, zu verzögern, so dass sie nach dem 1. Mai 2008 nach ihrer Erteilung unter das Londoner Übereinkommen fallen werden. Leider wird das EPA Anträge auf Verzögerung der hier entscheidenden Veröffentlichung der Patenterteilung im Europäischen Patenblatt zurückweisen, so dass in der Praxis für den Anmelder nur die Möglichkeit der sogenannten „Weiterbehandlung“ in Frage kommen wird, die sich hier als verfahrensrechtliche Maßnahme anbietet, um Zeit zu gewinnen.
Eine weitere Anforderung, die zumindest in Deutschland noch erfüllt werden muss, aber natürlich auch in den anderen EPÜ-Mitgliedsstaaten notwendig ist, ist die Umsetzung des Londoner Übereinkommens durch den nationalen Gesetzgeber. Wann genau dies in Deutschland der Fall sein wird, ist derzeit noch ungewiss und könnte das Inkrafttreten zumindest in Deutschland über den 1. Mai 2008 hinausschieben.
Natürlich wird das Inkrafttreten des Londoner Übereinkommens die Kosten für ein europäisches Patent ganz erheblich reduzieren, weil ein großer Teil der Übersetzungskosten wegfallen wird. Für Unternehmen in sich schnell entwickelnden Technologiefeldern – wie z.B. der Biotechnologie – sollte dies ein Anreiz sein, über mehr europäische Patentanmeldungen nachzudenken.