Enthält ein europäisches Patent in der erteilten Fassung Gegenstände, die entgegen Artikel 123 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) mit einer unzulässigen Erweiterung patentiert wurden, so kann dies wegen Artikel 123 Abs. 3 EPÜ im nachfolgenden Einspruchsverfahren nicht wieder durch Verzicht auf die Erweiterung geheilt werden, wenn dies mit einer Erweiterung des Schutzbereichs einhergeht. Im Ergebnis droht der Widerruf des gesamten Patents wenn es keinen Ausweg aus der durch Artikel 123 Abs. 2, 3 EPÜ gestellten Zwickmühle gibt. Dies ist bis auf wenige Ausnahmen regelmäßig der Fall, weshalb sich zu Recht im Zuge der EPA-Rechtssprechung basierend auf der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des EPA G 1/93 die Bezeichnung „unentrinnbare Falle“ durchgesetzt hat.
Wie nach deutschem Recht mit der „unentrinnbaren Falle“ zu verfahren sei, hat der BGH zuletzt in seiner Entscheidung „Winkelmesseinrichtung“ klargestellt (BGH, Urt. v. 21.10.2010 – Xa ZB 14/09). Demnach erlaubt es der BGH, ein unzulässig erweiterndes Merkmal im Patentanspruch zu belassen, wenn es zur Einschränkung des Patentanspruchs führt und nicht auf ein Aluid gerichtet ist. Es bedarf nicht einmal mehr der Aufnahme eines Hinweises in die Patentschrift, dass aus der Einfügung des unzulässig erweiternden Merkmals keine Rechte hergeleitet werden können. Letztere sogenannte „Fußnoten-Lösung“ hatte bis dahin mit der Entscheidung des Bundespatengerichts „ Flanschverbindung“ (BPatG Entscheidung v. 28.06.1988 – 12 W (pat) 6/88) als geeigneter Ausweg aus der damit entrinnbaren Falle in der deutschen Rechtsprechung etabliert.
Ein weiteres Beispiel für die aus deutscher Sicht bemerkenswerte Härte des EPA, keine abweichende Lösung, auch nicht die vorgenannte „Fußnotenlösung“, zuzulassen (s. z. B. Entscheidung T 335/03), die in G 1/93 mit dem verbindlichen Wesen und dem verbindlichen Charakter des Artikels 123 Abs. 2, 3 EPÜ begründet wird, ist die jüngste Entscheidung T 1202/07 der Technischen Beschwerdekammer 3.5.03 vom 7. April 2011, bei der sich im Einspruchs- und anschließenden Einspruchsbeschwerdeverfahren zwei große Flugzeughersteller gegenüberstanden. Bereits im Erteilungsverfahren hatte die Anmelderin Mühe, sich mit einer geeigneten Wortwahl vom Stand der Technik abzusetzen und gleichzeitig den Klarheitsbeanstandungen des EPA-Prüfers gerecht zu werden. Im dritten Anlauf und nach einer mündlichen Anhörung wurde schließlich eine Anspruchsfassung gebilligt und das Patent erteilt. Im anschließenden Einspruchsverfahren sah sich die Pateninhaberin nicht nur mit den Einwendungen der Einsprechenden zur angeblich fehlenden Neuheit, erfinderischen Tätigkeit und Ausführbarkeit, sondern auch mit dem von der Einspruchsabteilung des EPA aus eigenem Antrieb vorgebrachten Einwand des eingangs genannten Problems der beschränkten Erweiterung des Anspruchsgegentandes konfrontiert. Da es kein Entkommen aus der „unentrinnbaren Falle“ gab wurde das Patent widerrufen.
Derartige Fälle werden sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen, insbesondere wenn man sich im europäischen Erteilungsverfahren gegenüber bis dato unbekanntem Stand der Technik im Notfall mittels zweifelhafter Offenbarung abgrenzen muss. Dem Risiko muss sich der Anmelder bzw. Pateninhaber aber bewusst sein, denn die Verantwortung liegt allein bei ihnen und eine rettende Lösung wie man sie aus deutschen Verfahren kennt, ist in Konfliktsituationen nach Artikel 123 Abs. 2, 3 EPÜ gemäß EPA-Rechtsprechung unzulässig (s. z. B. T 335/03).