Enthält ein europäisches Patent in der erteilten Fassung Gegenstände, die entgegen Artikel 123(2) des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) mit einer unzulässigen Erweiterung patentiert wurden, so kann dies wegen Artikel 123(3) EPÜ im nachfolgenden Einspruchsverfahren nicht wieder durch Verzicht auf die Erweiterung geheilt werden wenn dies mit einer Erweiterung des Schutzbereichs einhergeht. Im Ergebnis droht der Widerruf des gesamten Patents wenn es keinen Weg aus der durch Artikel 123(2) und (3) gestellten Falle gibt. Ein Beispiel dafür ist die jüngste Entscheidung T 0567/08 der Technischen Beschwerdekammer 3.2.04 vom 28. September 2009.
In dieser Entscheidung ging es um ein Offenbarungsproblem bei einem Detail einer Deo-Roller-Verpackung, dessen Schutzbereichsdefinition im Anspruch unter anderem auf den Begriff „base footprint“ zurückgriff. Der Begriff war in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nicht offenbart und wurde von der Prüfungsabteilung im Erteilungsverfahren irrtümlicherweise als unproblematisch unter Artikel 123(2) EPÜ angesehen. Die Patentinhaberin verstand den Begriff als Synonym für die „base“-Kontaktfläche der Verpackung, wie oben dargestellt.
Das alternative Verständnis der Einsprechenden war jedoch ein anderes, welches oben ebenfalls dargestellt ist, dem sich auch die Einspruchsabteilung anschloss. Letztere Auslegung führt gegenüber ersterer Auslegung zu einem engeren Schutzbereich.
Der Versuch der Patentinhaberin, im Einspruchsverfahren den Anspruch auf ihr Begriffverständnis im Sinne der „base“-Kontaktfläche im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung zurückzusetzen, schlug fehl. Denn dies hätte zu einer Schutzbereichserweiterung nach Artikel 123(3) EPÜ geführt. Die Falle schnappte zu, die Pateninhaberin saß in der Falle und verlor alles. Das Patent wurde als Ganzes nur aus dem Offenbarungsproblem heraus widerrufen.
Derartige Fälle werden sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen, insbesondere wenn man sich im Erteilungsverfahren gegenüber bis dato unbekannten Stand der Technik im Notfall mittels zweifelhafter Offenbarung abgrenzen muss. Dem Risiko muss sich der Anmelder bzw. Pateninhaber aber bewusst sein, denn die Verantwortung liegt allein bei ihnen und eine rettende Fußnotenlösung wie man sie aus deutschen Verfahren kennt ist in Konfliktsituationen nach Artikel 123(2) und (3) EPÜ gemäß EPA-Rechtsprechung unzulässig (s. z.B. T 335/03).