Zum Jahresbeginn trat das Gesetz über die Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten in Kraft (s. Beitrag v. 2.1.2008). Hiergegen wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt verbunden mit dem Eilantrag, die Durchführung des Gesetzes ab sofort zu unterbinden.
Durch Beschluss vom 11. März 2008 gab der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dem Eilantrag teilweise statt (Az.: 1 BvR 256/08). Danach gilt die Speicherpflicht für die Provider unverändert fort. Bis auf weiteres dürfen die so erhobenen Verkehrsdaten den Ermittlungsbehörden nur dann mitgeteilt werden, wenn es um eine Katalogstraftat i.S.d. § 100a Abs. 2 StPO geht. Darunter fallen Mord, Totschlag, Raub, Erpressung, gewerbsmäßige Hehlerei, Geldwäsche usw. Daneben müssen die weiteren Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO vorliegen. Dazu gehört u.a., dass die Strafverfolgung ohne die Informationen aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Ob die Verkehrsdaten in minder schweren Fällen herausgegeben werden dürfen, entscheidet sich nach dem Ausgang des Hauptsacheverfahrens.
Da Verletzungen von geistigen Eigentumsrechten nicht unter besagten Straftatenkatalog fallen, sieht es auf den ersten Blick recht trübe für die Rechtsinhaber aus. Tatsächlich jedoch schränkt das BVerfG nur die Herausgabe von „Verbindungsdaten“ ein, also Einzelheiten über Kommunikationsvorgänge wie Zeit, Dauer usw. Bei Rechtsverletzungen im Bereich des geistigen Eigentums geht es typischerweise nicht darum, sondern um die Ermittlung von „Bestandsdaten“ zu einem bereits bekannten Kommunikationsvorgang, damit – insbesondere bei dynamisch vergebenen IP-Adressen – die Identität des Täters geklärt werden kann. Die dafür erforderliche Bestandsdatenabfrage ist durch die einstweilige Anordnung des BVerfG nicht nur nicht eingeschränkt. In den Entscheidungsgründen findet sich die ausdrückliche Aussage, dass die nach dem neuen § 113a TKG zu bevorratenden Daten „der Vorbereitung einer manuellen Bestandsdatenauskunft nach § 113 TKG“ dienen können.
Mit dieser Formulierung und der begrifflichen Unterscheidung zwischen „Verbindungsdatenabfrage“ einerseits und „Bestandsdatenabfrage“ andererseits schließt sich das BVerfG indirekt der Auffassung des Gesetzgebers an (s. den vorletzten Abs. im Beitrag v. 2.1.2008), dass für die Mitteilung von Bestandsdaten keine richterliche Anordnung erforderlich ist. Denn § 113 TKG sieht eine solche nicht vor. Entscheidungen einiger Gerichte, wie z.B. Amtsgericht Offenbach, Beschl. v. 20.7.2007 – 4 Gs 442/07, die Verkehrs- und Verbindungsdaten miteinander verwechseln und deshalb eine richterliche Anordnung für nötig halten, sollten damit endgültig der Vergangenheit angehören.
In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, dass der EuGH durch Urteil vom 29. Januar 2008 zur Vereinbarkeit der Bestandsdatenabfrage mit der Datenschutzrichtlinie 2002/58 Stellung nahm (Az.: C 275/06). Danach ergebe sich aus dem Gemeinschaftsrecht, namentlich neben der Datenschutzrichtlinie der E-Commerce-Richtlinie 2000/31, der Urheberrechtsrichtlinie 2001/29 und der Enforcement-Richtlinie 2004/48, weder ein Gebot noch ein Verbot einer Bestandsdatenabfrage im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens. Allerdings seien die Belange des Datenschutzes nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang mit dem Schutz des geistigen Eigentums zu bringen, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts handele.
Da es in Fällen dieser Art regelmäßig um vorsätzliche Rechtseingriffe geht, die ohne die Bestandsdaten nicht verfolgt werden können, kann die Abfrage nicht unverhältnismäßig sein. Denn die Anonymität des Internets darf nicht dazu missbraucht werden, ungestört Eigentumsrechte anderer zu verletzen.