Revolutionäre Technologien zur Behandlung einer Vielzahl derzeit nicht heilbarer menschlicher Erkrankungen (z.B. Alzheimer oder Parkinson) unter Verwendung humaner embryonaler Stammzellen (hESCs) haben einerseits einen hohen medizinischen Nutzen, sind aber andererseits in Europa aus ethischen Gründen nicht patentierbar sobald für die Gewinnung der hESCs menschliche Embryonen als Ausgangsmaterial verwendet werden [Art. 6(2)(c) der EU-Richtlinie 98/44/EG, umgesetzt im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) durch Artikel 53(a) in Verbindung mit Regel 28].

Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2011 in der Rechtssache C-34/10 (Oliver Brüstle v. Greenpeace e.V.) die Leitplanken für das Verständnis des Begriffs „humaner Embryo“ wie folgt gesetzt hatte:

  1. jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an,
  2. jede unbefruchtete menschliche Eizelle, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist, und
  3. jede unbefruchtete menschliche Eizelle, die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist,

legte auch das Europäische Patentamt (EPA) dieses extrem breite Begriffsverständnis bei der Auslegung der patentverhindernden Regel 28 EPÜ zugrunde.

Aus biologischer und auch ethischer Sicht ist jedenfalls Punkt c) zweifelhaft. Aus biologischer Sicht bestehen Zweifel, weil ein gemäß c) erhaltener Parthogenot unter Anwendung aller derzeit gegebenen technischen Möglichkeiten nicht über ein Mehrzellenstadium hinaus kommt, d.h. sich nicht zu einem „richtigen“ menschlichen Embryo weiterentwickeln kann. Aus ethischer Sicht bestehen Zweifel, weil aus dem Parthogenoten ohne dem nachfolgenden Schritt der Bildung eines „richtigen“ Embryos auch kein Mensch entstehen kann und damit das ethische Argument, es werde für die Menschwerdung geeignetes Material sittenwidrig zweckentfremdet, ins Leere geht.

Der EuGH korrigierte in seiner am 18. Dezember 2014 ergangenen Rechtssache C-364/13 (International Stem Cell Corporation v. Comptroller General of Patents) seine zuvor breite Definition des Begriffs „humaner Embryo“ in Bezug auf c) dahingehend, dass Parthogenoten nur soweit erfasst sein sollen, wie diese sich auch zu einem Menschen entwickeln können. Damit fallen bei den derzeit gegebenen technischen Möglichkeiten die Parthogenoten aus dem Verbotstatbestand des „humanen Embryos“ heraus, d.h. von humanen Parthogenoten abgeleitete Erfindungen, einschließlich hESCs, sind patentierbar.

Die aktuellen Prüfungsrichtlinien des EPA spiegeln diese anmelderfreundliche neuere Sichtweise des EuGH (noch) nicht wieder. Im Gegenteil wird an entsprechender Stelle der Prüfungsrichtlinie [G-II, 5.3 (iii)] darauf hingewiesen, dass EuGH-Urteile zur Auslegung der EU-Richtlinie 98/44/EG für das EPA nicht bindend sind.

Anmelder beim EPA, denen die Patentierung ihrer auf Parthogenoten basierenden Technologie verweigert wird, können jedoch auf die Sichtweise von EPA-Prüfungsabteilungen (z.B. in der Sache EP 13 186 524, Bescheid vom 30.10.2015) oder Beschwerdekammern (T 2365/13 vom 31.5.2016) in anhängigen Erteilungsverfahren verweisen, bei denen das EPA seine Ansicht analog dem EuGH angepasst hat und zunächst unter Artikel 53(a) in Verbindung mit Regel 28 verweigerte Ansprüche nunmehr akzeptiert.