Gemäß Artikel 52(4) EPÜ sind Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers vom Patentschutz ausgenommen. Das Verbot erstreckt sich jedoch nicht auf die dabei verwendeten Stoffe. Sofern die Verwendung eines Stoffes als Medikament bereits bekannt ist, bleibt noch die Möglichkeit Schutz für eine zweite bzw. weitere medizinische Indikation zu beanspruchen. Das EPA akzeptiert dabei die Form des „Swiss Type Claims“, ein Herstellungsverwendungsanspruch mit dem Wortlaut „Verwendung von Wirkstoff X zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung der Krankheit Y“.

Anmeldungen, die eine bekannte Verwendung eines Wirkstoffes für eine bestimmte Krankheit beanspruchten, selbst wenn zusätzlich ein spezieller neuer Verabreichungs- oder Dosierungsplan beansprucht wurde, hatten bisher keine Aussicht auf Erteilung und wurden zurückgewiesen (s. beispielsweise T 56/97, T 584/97). Dies war besonders ärgerlich für die Anmelder, deren Erfindung von dem genauen Dosierungsplan lebte, beispielsweise um Nebenwirkungen zu vermeiden oder zu verringern.

So erging es auch dem zunächst von der EPA Prüfungsabteilung zurückgewiesenen Anspruch 1 mit dem Wortlaut „Verwendung des insulinähnlichen Wachstumsfaktors (IGF-1) zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verabreichung an ein Säugetier, um dessen biologische Antwort bei der Behandlung einer chronischen Störung aufrechtzuerhalten, wobei … (detailliertes Verabreichungsschema folgt)“.

Anders als die Prüfungsabteilung und entgegen der bisherigen EPA-Rechtssprechung sah die Technische Beschwerdekammer 3.3.4 diesen Anspruch jedoch als gewährbar an und führte im Detail aus, dass ein neuer Dosierungs- oder Verabreichungsplan wie eine neue Indikation zu betrachten ist (T 1020/03).

Patentanmeldungen, die zunächst nur hypothetisch in Bezug auf die medizinische Verwendung eines Stoffes abgefasst wurden, stehen im Lichte der T 1020/03 nachfolgenden Patentanmeldungen, die um die in der Praxis gewonnenen optimalen Dosierungs- und Verabreichungsarten ergänzt wurden, nicht mehr ohne Weiteres im Wege.

Die mit der Entscheidung T 1020/03 eingeleitete liberale Praxis des EPA sollte eine Vielzahl an Dosierungs- oder Verabreichungsplan-Neuanmeldungen nach sich ziehen, die bisher wegen fehlender Aussicht auf Erfolg unterblieben sind.