Im Patentrecht versteht man unter Reach-Through-Ansprüchen Patentansprüche, die zukünftige Erfindungen erfassen, die jedoch vom Offenbarungsgehalt der Anmeldung nicht gedeckt sind. Im Rahmen der seit 1983 bestehenden „dreiseitigen Zusammenarbeit“ des europäischen, japanischen und des US-Patentamts stimmte man sich 2001 in Bezug auf die Behandlung von Reach-Through-Ansprüchen ab, um eine weitestgehende Harmonisierung zu erreichen (Trilateral Project B3b, 2001, „Report on Comparative study on biotechnology patent practices Theme: Comparative study on „reach-through claims“). Im Ergebnis wurde übereinstimmend beschlossen, dass Ansprüche im Wesentlichen nur für das möglich sein sollen, was explizit in der Anmeldung beschrieben ist.
Wie die Praxis zeigt, wird diese restriktive Linie beim Umgang mit Reach-Through-Ansprüchen von den Patentämtern einschließlich des Europäischen Patentamts konsequent umgesetzt. Ein Beleg dafür ist die jüngste Entscheidung T 1063/06 der Technischen Beschwerdekammer 3.3.10 des EPA vom 3. Februar 2009. Gegenstand der Anmeldung war ein Anspruch mit folgendem Wortlaut: „Verwendung von Verbindungen, welche auch in der Lage sind, die lösliche Guanylatcyclase unabhängig von der im Enzym befindlichen Häm-Gruppe zu stimulieren, zur Herstellung von Arzneimitteln zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Angina pectoris, Ischämien und Herzinsuffizienz“.
Die Anmeldung selbst offenbarte nur in den Unteransprüchen strukturell definierte Verbindungen mit den gewünschten Eigenschaften, auf die sich die Anmelderin jedoch nicht beschränken wollte, um den entsprechenden Einwand der mangelnden Offenbarung (Art. 83 EPÜ) auszuräumen. Man beanspruchte folglich nicht weniger als alle in Zukunft noch zu identifizierenden Verbindungen mit den gewünschten Eigenschaften. In Ermangelung jeglicher Auswahlregeln für die Verbindungen in der Streitanmeldung und ohne Rückgriffsmöglichkeit auf bekanntes Fachwissen müssten Dritte demnach zuerst die gewünschten Verbindungen selbst entdecken, um die erfindungsgemäße Arzneimittelverwendung umzusetzen. Nach Auffassung des EPA war der Anspruch nichts anderes als ein Versuch, Patentschutz für Arzneimittelverbindungen mit erhoffter Funktion und damit für eine nicht fertige Erfindung zu erhalten. Der Anspruch scheiterte damit an Art. 83 EPÜ. Die Entscheidung T 1063/06 ordnet sich nahtlos in die etablierte Rechtsprechung zu Reach-Through Ansprüchen ein (s. auch Zeitschriftenartikel „Reach-Through Ansprüche“ im Downloadbereich).