Patentansprüche umfassen häufig Messmerkmale, die durch bestimmte Messverfahren erhalten werden. So lautet beispielsweise der Wortlaut des Hauptanspruchs des Europäischen Patents 0 485 212: „Reinigungsmittelzusammensetzung in Form einer wässrigen Flüssigkeit einer Viskosität im Bereich von 10000 bis 1000 mPas bei einer Scherrate von 10 s-1…“.

Ob und in welcher Tiefe die Messverfahren in der Anmeldung beschrieben werden müssen um dem Erfordernis der „ausreichenden Offenbarung“ nach Artikel 83 des Patentübereinkommens (EPÜ) gerecht zu werden, hängt im Wesentlichen von der Frage ab, ob es im Stand der Technik zu diesem Verfahren eine „Wissenslücke“ oder unterschiedliche Messverfahren und Messinstrumente gibt, die zu unterschiedlichen Messergebnissen führen können. Die Beantwortung dieser Frage ist nicht immer einfach. Im Zweifelsfalle wird man um eine ausführliche Beschreibung der Messverfahren nicht herumkommen, wie nachfolgende Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Patentamts (EPA) nahe legen.

So hatte das EPA beispielsweise im Erteilungsverfahren zu Eingangs genanntem Patentanspruch kein Problem damit, dass sich die Anmeldung zu dem Viskositätsbestimmungsverfahren ausschwieg. Das Patent wurde erteilt. Im anschließenden Einspruchsverfahren wurde das Patent jedoch widerrufen, da Temperatur, Messgerät und dass Messverfahren zur Bestimmung der Viskosität nicht offenbart waren und es allgemein bekannt sei, dass der Viskositätswert von diesen Parametern abhänge. In nächster Instanz, d.h. im anschließenden Beschwerdeverfahren wurde diese Sichtweise wieder revidiert (Entscheidung T 960/98 vom 9. April 2003). Dabei ging die Kammer von einem Fachmann aus, der die Anmeldung mit viel Sinn und Verstand las und die verbleibende „Wissenslücke“ mit seinem Fachwissen ausfüllen konnte. So wurde beispielsweise das unstreitig als erheblich angesehene Temperaturmerkmal dahingehend ausgefüllt, dass „bei fehlender Temperaturangabe der Fachmann auf die Temperaturbedingungen zurückgreifen wird, die normalerweise bei der Messung von Viskositäten der relevanten flüssigen Reinigungsmittelzusammensetzungen Anwendung finden“.

Jüngere Entscheidungen der Beschwerdekammer des EPA, beispielsweise T 288/06 vom 23. Okt 2009 scheinen weniger liberal auszufallen, möglicherweise im Zuge der 2007 ins Leben gerufenen und nicht unumstrittenen Kampagne des EPA „Raising the bar on patent quality“ („Höhere Maßstäbe für Patentqualität“).

Das der Entscheidung T 288/06 zugrunde liegende Streitpatent wurde mit folgendem Anspruchswortlaut erteilt: „Zwischenschicht-Folie für Verbundglas, das im wesentlichen aus einem Poly(vinylacetal)-Weichharz besteht und eine Trübung von nicht mehr als 50%, gemessen unter Verwendung eines von Tokyo Denshoku hergestellten integrierenden Trübungsmesser, aufweist, wenn die Zwischenschicht-Folie mit einer Dicke von 0,3 bis 0,8 mm auf 4 x 4 cm zugeschnitten und 24 Stunden lang in entionisiertes Wasser bei 23ºCgetaucht wird.“. Zunächst überstand das Patent auch unbeschadet den Einwand der angeblich nicht ausreichenden Offenbarung unter Artikel 83 EPÜ im anschließenden Einspruchsverfahren, bevor sich im Beschwerdeverfahren das Blatt wendete.

Die Anmeldung selbst verwies bezüglich der Messung der Trübung auf  eine entsprechende japanische und amerikanische Prüfnorm, wobei letztere den Makel aufwies, dass sie bei Trübungen von mehr als 30% auf eine besser geeignete andere Prüfnorm verwies. Da die japanische Prüfnorm der amerikanischen ähnlich war, wurde im Beschwerdeverfahren seitens der Kammer unterstellt, dass diese maximal 30% Trübungsgrenze auch dort einschlägig ist. Nach Auffassung der Kammer gab es damit keine allgemein anerkannte technische Norm zur Messung der Trübung von Folien mit einem Trübungsgrad von bis zu 50%. Diese „Wissenslücke“ zu der Messmethode war nach Auffassung der Kammer auch nicht durch Fachwissen auszufüllen. Das Patent wurde widerrufen.

Für Patentanmelder bedeutet dies, dass man die verwendeten Messmethoden in die Anmeldung weitestgehend aufnehmen sollte, um sich hier keine unnötig offene Flanke zu schaffen. Andererseits haben Einsprechende ein größeres Einfallstor für einen entsprechenden Einwand unter Artikel 83 EPÜ [in Verbindung mit Artikel 100 (b) EPÜ].