Während der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) in der Welthandelsorganisation (WTO) unterzeichnete die Europäische Union ein Übereinkommen über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS), das u. a. auch den Schutz von pharmazeutischen Erzeugnissen (Pharmapatente) gewährleisten will.

Grundsätzlich bietet ein Pharmapatent dem Rechtsinhaber die Möglichkeit, Dritten die Herstellung, Nutzung und den Verkauf des durch das Patent geschützten Arzneimittels, bis auf wenige Ausnahmen, zu untersagen.

Einer der vorgesehenen Ausnahmetatbestände ist, dass die Regierungen Lizenzen ohne Genehmigung des Patentinhabers (Zwangslizenzen) erteilen können, beispielsweise wenn der Pateninhaber selbst nicht über ausreichende Produktionskapazitäten zur Herstellung der Arzneimittel verfügt, um den Bedarf abzudecken. Nach den geltenden Regeln können Zwangslizenzen jedoch nur zur Versorgung des inländischen Marktes erteilt werden. Das bedeutet, dass im Exportland patentierte Arzneimittel nicht im Rahmen einer Zwangslizenz für den Binnenmarkt eines Bedarfslandes hergestellt und dorthin exportiert werden können.

Um dennoch den ärmsten Ländern der Welt, insbesondere denen, die nicht in der Lage sind, solche Arzneimittel herzustellen, einen leichteren Zugang zu erschwinglichen, sicheren und wirksamen Arzneimitteln zu verschaffen, beschloss der WTO-Generalrat am 30. August 2003 als vorläufige Regelung, dass jedes WTO-Mitglied Arzneimittel exportieren kann, die unter einer Zwangslizenz zur Versorgung von bedürftigen (Entwicklungs-) Ländern erzeugt wurden, welche selbst über keine oder nicht genügend Produktionskapazitäten im Arzneimittelsektor verfügen.

Die neue Regel wurden am 6. Dezember 2005 durch Beschluss des WTO-Generalrats formal in das TRIPS-Übereinkommen dauerhaft übernommen und tritt für die Mitglieder, die es akzeptiert haben, in Kraft, sobald zwei Drittel der WTO-Mitglieder der Änderung zugestimmt haben. Hierfür haben sich die WTO-Mitglieder eine Frist bis zum 1. Dezember 2007 gesetzt.

Mit der bereits am 28. April 2006 durch den Europäischen Rat verabschiedeten Verordnung (s. Mitteilung 8745/06 unter http://ue.eu.int/ueDocs/cms_Data/docs/pressdata/de/misc/89405.pdf) wurden die notwendigen Bedingungen in der EU geschaffen, um dem Beschluss der WTO nachzukommen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben jetzt die Möglichkeit, die im Beschluss der WTO vorgesehenen Verfahren für die Vergabe der Zwangslizenzen in ihr Patentrecht zu integrieren.

In der Praxis wird dies bedeuten, dass, sobald „bedürftige“ Länder ihren Arzneimittelbedarf bei der WTO angemeldet haben, Generikahersteller von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, eine Lizenz für die Herstellung von Export-Arzneimitteln für diese Länder zu beantragen, ohne dass der Patentinhaber zustimmen muss.