Gemeinschaftsgeschmacksmuster unterliegen der Löschung auf Antrag des Inhabers eines älteren unterscheidungskräftigen Zeichens, wenn dieses Zeichen in dem Geschmacksmuster „verwendet wird und das Gemeinschaftsrecht oder das nationale Recht des Mitgliedstaats, dem das Zeichen unterliegt, den Rechtsinhaber dazu berechtigen, diese Verwendung zu untersagen“ (Art. 25 Abs. 1 Buchst. e) der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV); ähnlich § 34 Nr. 1 GeschmMG für deutsche Geschmacksmuster).

Das EuG hatte es nun mit einem solchen Fall zu tun (Urt. v. 12.5.2010 – T 148/08). Darin ging es um ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster für Schreibwaren, das Ähnlichkeiten mit einer deutschen Bildmarke in Gestalt einer dreidimensionalen Ansicht eines Textmarkers aufwies. Die Nichtigkeitsabteilung des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM) und ihr folgend die Beschwerdekammer hatten auf Löschung des Geschmacksmusters erkannt.

Für das Gericht stellte sich zunächst die Frage, ob jener Löschungsgrund des Art. 25 Abs. 1 Buchst. e) GGV nur dann eingreift, wenn das Muster die ältere Marke identisch enthält. Obwohl der Wortlaut der genannten Bestimmung an sich dafür spricht, sprach sich das EuG für eine weiter reichende Auslegung aus. Danach komme es darauf an, ob die Verwendung des Musters aufgrund von Verwechslungsgefahr mit der Marke untersagt werden könne. Ist das der Fall, dann kann auch Löschung der Geschmacksmustereintragung verlangt werden.

Das für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr relevante Publikum ergebe sich aus der Erzeugniskategorie des Geschmacksmusters. Da es um Schreibwaren ging, sei der allgemeine Endverbraucher zugrunde zu legen. Auch sei keineswegs ausgeschlossen, dass ein dreidimensionales Geschmacksmuster mit einer zweidimensionalen Bildmarke kollidiert. Der Anwendungsbereich des Art. 25 Abs. 1 Buchst. e) GGV ist damit auch in diesem Punkt weit gezogen.

Konsequenterweise befand das EuG aber auch, dass der Geschmacksmusterinhaber im Löschungsverfahren eine Benutzungseinrede erheben könne, obwohl die GGV dies nicht vorsieht. Für deutsche Marken folge aus § 25 MarkenG, dass nach Ablauf der fünfjährigen Benutzungsschonfrist Rechte daraus nur herleitbar sind, soweit eine rechtserhaltende Benutzung nachgewiesen werden kann. Allerdings habe es die Geschmacksmusterinhaberin im Streitfall versäumt, die Benutzungseinrede vor der Nichtigkeitsabteilung zu erheben. Ähnlich wie in Markensachen müsse eine solche Einrede gleich in der ersten Erwiderung auf den Löschungsantrag erhoben werden.

Dennoch kam es zur Aufhebung der Beschwerdekammerentscheidung, weil der Nichtigkeitsabteilung nach Auffassung des Gerichts ein Formfehler unterlaufen war, den die Beschwerdekammer nicht korrigiert hatte. Denn die Nichtigkeitsabteilung hatte in ihrer Begründung zur Zeichenähnlichkeit auf eine dreidimensionale Marke Bezug genommen, und in den Akten fanden sich auch Angaben zu einer älteren 3D-Marke. Demnach sei das falsche Zeichen mit dem Muster verglichen worden.

An diesem Ergebnis ist bemerkenswert, dass die Geschmacksmusterinhaberin in ihrer Klage diesen Punkt gar nicht gerügt hatte. Denn normalerweise prüft das EuG in solchen Verfahren nur die ausdrücklich formulierten Klagegründe (vgl. EuGH, Urt. v. 18.7.2006 – C 214/05 P – SISSI ROSSI/MISS ROSSI). In diesem Fall allerdings sah sich das Gericht außer Stande, sehenden Auges eine mangelbehaftete Entscheidung zu bestätigen.