Sortenschutz setzt unter anderem voraus, dass die Sorte, für die Schutz begehrt wird, sich von jeder anderen „allgemein bekannten“ Sorte „deutlich unterscheidet“. Beim EU-weit gültigen gemeinschaftlichen Sortenschutz wird diese Schutzvoraussetzung von einem nationalen Prüfungsamt im Auftrag des Gemeinschaftlichen Sortenamts (Community Plant Variety Office, CPVO) geprüft. Dem europäischen Gericht erster Instanz (EuG) lag nun ein Fall vor, bei dem sich die Ämter mit der Beurteilung der Unterscheidbarkeit und insbesondere der „allgemeinen Bekanntheit“ sichtlich schwer getan hatten.
Für die angemeldete Kandidatensorte ergab sich der Verdacht, dass sie einer in Südafrika aufgefundenen Referenzsorte zu ähnlich war, um Sortenschutz zu rechtfertigen. Strittig war in erster Linie, ob das Vergleichsmaterial in Afrika „allgemein bekannt“ war. Der Zurückweisungsbeschluss stützte sich zunächst auf Angaben eines Wissenschaftlers am Botanischen Garten in Kirstenbosch, wonach die Referenzsorte in Südafrika zwar nicht heimisch, wohl aber in Baumschulen und Gärtnereien anzutreffen sei. Auf die Beschwerde hiergegen holte das CPVO zunächst im Abhilfeverfahren weitere Erkundigungen ein, u.a. beim südafrikanischen Landwirtschaftsministerium, das die Angaben des Botanikers bestätigte. Dieser reichte auch eine ältere Literaturstelle nach, in der die Referenzsorte erwähnt war. Somit erging ein Nichtabhilfebeschluss, so dass der Fall an die Beschwerdekammer der Gemeinschaftsbehörde ging. Die Kammer kündigte zunächst an, im Rahmen der Beweisaufnahme eine Erkundigungsreise nach Südafrika durchführen zu wollen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Als sich dann der Anmelder weigerte, hierfür einen Kostenvorschuss von 6.000 € einzuzahlen, besann sich die Kammer eines Besseren und wies die Beschwerde so zurück. Sie meinte nun, auch nach Aktenlage von einer „allgemeinen Bekanntheit“ der Referenzsorte ausgehen zu können.
Das daraufhin angerufene EuG segnete dieses Verfahrensergebnis ab und traf einige Klarstellungen zur Durchführung der Prüfung (Urt. v. 19.11.2008 – T 187/06):
- Bei der gerichtlichen Überprüfung der Frage der Unterscheidbarkeit ist zu unterscheiden: Die Überprüfung der „deutlichen Unterscheidbarkeit“ ist nur beschränkt möglich, da dem Amt aufgrund seiner Sachkunde in Fragen der Botanik und Genetik ein Beurteilungsspielraum zusteht. Ob allerdings die Referenzsorte „allgemein bekannt“ war, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung.
- Die die vom Amt ermittelte Tatsachengrundlage reichte aus, um die Zurückweisung der Anmeldung zu rechtfertigen. Nach den Richtlinien des Internationalen Verbandes zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (Union internationale pour la protection des obtentions végétales, UPOV) genüge die Veröffentlichung einer detaillierten Beschreibung einer Pflanzensorte für die Annahme der Vorbekanntheit. Dies ist zwar nicht in den Text der Gemeinschaftssortenverordnung (GSV) übernommen worden. Die GSV enthalte zu dieser Frage jedoch keine abschließende Regelung, und nach einer ihrer Begründungserwägungen sei das UPOV-Übereinkommen (Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen) zu berücksichtigen.
- An mehreren Stellen seiner Urteilsbegründung wies das Gericht darauf hin, dass der Anmelder seinerseits zu wenig zur Entkräftung vorgebracht habe. Obwohl das Prüfungsverfahren vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht wird, besteht also eine gewisse Obliegenheit des Anmelders, seinerseits Tatsachen und Beweismittel beizubringen. Er kann nicht erwarten, dass die Prüfer von sich aus beliebigen Aufwand betreiben, um letzte Restzweifel an ihrem Prüfungsergebnis auszuräumen.
- Die Beschwerdekammer war nicht gehalten, den Anmelder von der Aufgabe der Absicht zur Durchführung der Erkundigungsreise zu unterrichten. Denn die Tatsachen, auf die die Beschwerdeentscheidung schließlich gestützt wurde, waren dem Anmelder schon zuvor bekannt gegeben worden. Hierzu hätte er also Stellung nehmen müssen, ohne sich auf die vorherige Durchführung der Erkundigungsreise verlassen zu dürfen.
- Allerdings durfte die Beschwerdekammer den Kostenvorschuss für die Beweisaufnahme nicht anfordern. Denn der Anmelder hatte die Erkundigungsreise nicht beantragt. Da es darauf am Ende nicht ankam, war dieser Fehler jedoch nicht entscheidungserheblich.