Gefälle des Schutzniveaus für geistiges Eigentum rufen fast zwangsläufig Geschäftsleute auf den Plan, die sie sich zunutze machen möchten. So gab es beispielsweise für Designermöbel bislang in Italien keinen Schutz als Werke der angewandten Kunst, in Deutschland aber schon. Folglich war die Herstellung unautorisierter Nachbauten in Italien legal und günstig, während sich in Deutschland hohe Preise dafür erzielen ließen. Dem schwunghaften Handel mit solchen Produkten versetzte der BGH allerdings unlängst einen Dämpfer, indem er diesbezügliche Angebotshandlungen verbat (s. Beitrag v. 31.8.2007).
Für Rechtsinhaber stellt sich weiter die Frage, ob sie eine Handhabe gegen inländische Abnehmer solcher Kopien haben. Allerdings löst allein die notwendige Teilnahme durch die Entgegennahme rechtsverletzender Ware keine Haftung aus (für das Patentrecht BGH, Urt. v. 30.1.2007 – X ZR 53/04 – Funkuhr II). Erst wenn der Abnehmer seinerseits eine darüber hinaus gehende Verletzungshandlung begeht, werden Rechtsansprüche gegen ihn ausgelöst.
So wandte sich der Inhaber von Lizenzen für Möbeldesigns des Architekten Le Corbusier dagegen, dass ein deutsches Bekleidungsgeschäft unerlaubte Nachbauten in einer Ruhezone für die Kunden bereit- und im Schaufenster ausgestellt hatte. Der Lizenznehmer sah hierin eine urheberrechtliche Verbreitungshandlung, durch die er geschädigt würde. Während Landgericht und Oberlandesgericht Frankfurt am Main seiner Klage stattgaben, beschlichen den BGH Zweifel, ob wirklich von einem „Verbreiten“ ausgegangen werden könne. Denn der Möbelhändler seinerseits verschaffe Dritten weder Besitz noch Eigentum an den Kopien, sondern stellte sie nur zur Nutzung oder Ansicht zur Verfügung. Diese Frage legte er dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vor.
Der EuGH fand keine eindeutige Antwort im europäischen Gemeinschaftsrecht, kam dann aber auf den Urheberrechtsvertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WCT-Vertrag) und den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (im Folgenden: WPPT-Vertrag) aus dem Jahr 1996 zu sprechen. Sie sind zwar kein Gemeinschaftsrecht, wurden aber durch Beschluss 2000/278/EG des Rats der Europäischen Gemeinschaften in deren Namen genehmigt. In beiden Verträgen ist eine „Verbreitung“ dahin definiert, dass sie eine Eigentumsübertragung beinhaltet. Dies sah der EuGH dann auch als maßgeblich für den gemeinschaftsrechtlichen Begriff des „Verbreitens“ in der einschlägigen Richtlinie 2001/29/EG an. Folglich gab er dem BGH an die Hand, dass im Verhalten des Möbelhändlers keine urheberrechtlich angreifbare Verbreitungshandlung gesehen werden könne (Urt. v. 17.4.2008 – C 456/06 – Peek & Cloppenburg/Cassina).
Offenbar in der Erkenntnis, dass er damit eine ziemliche Schutzlücke in das Urheberrecht gerissen hatte, kommentierte der EuGH sein eigenes Urteil dann noch selbst mit der Bemerkung, dass für die Schließung dieser Lücke nicht er, sondern der Gemeinschaftsgesetzgeber zuständig sei. Dieser ist damit verstärkt aufgerufen, sich der weiteren Harmonisierung des europäischen Urheberrechts zu widmen.