Ob ein Zeichen mit einer älteren Marke verwechslungsfähig ist, hängt von einer umfassenden Beurteilung „unter Berücksichtigung aller Umstände“ ab (EuGH, Urt. v. 11.11.1997 – C-251/95 – Springende Raubkatze). Einer dieser Umstände ist der Aufmerksamkeitsgrad der Kunden, an die sich das Zeichen und die Marke richten (EuGH, Urt. v. 22.6.1999 – C-342/97 – Lloyd). Geht es etwa um Waren des täglichen Bedarfs, die eher flüchtig gekauft werden, ist die „Unterscheidungsbereitschaft“ eher gering (z.B. HABM, Entsch. v. 22.6.2004 – R 508/03-1). Dies begünstigt Verwechslungen, weshalb in diesem Produktbereich ein erhöhter Zeichenabstand gefordert wird (z.B. BPatG, Beschl. v. 7.6.2000 – 28 W (pat) 131/99, Mitt. 2001, 79, 80 – Del Monte).
Bei Arzneimitteln hingegen gelten andere Maßstäbe. Bei rezeptfreien Medikamenten wird üblicherweise ein gesteigerter Aufmerksamkeitsgrad angenommen (z.B. BPatG, Beschl. v. 21.9.2000 – 25 W (pat) 71/99 – KORODIN/RONIDIN). Kennzeichnungen können daher dichter aneinander heran rücken, ohne dass markenrechtlich Verwechslungsgefahr anzunehmen wäre. Noch weiter ging dies bisher bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, da hier der Sorgfalt des verordnenden Arztes eine bedeutende Rolle zugeschrieben wurde (z.B. BGH, Beschl. v. 10.11.1999 – I ZB 13/97 – Ketof/ETOP).
Diese Praxis für verschreibungspflichtige Medikamente fand beim EuGH jedoch keinen Anklang. In seinem Urteil vom 27. April 2007 wies der Gerichtshof darauf hin, dass Verbraucher ihre Ärzte und Apotheker mit ihren Wünschen und Präferenzen durchaus beeinflussen könnten (C 412/05 P – TRIVASTAN/TRAVATAN). Damit bestätigte der EuGH die Beurteilung der Vorinstanz, die auch auf den weniger geschulten Endverbraucher abgestellt hatte. Der Gerichtshof missbilligte zwar, dass die Vorinstanz offen gelassen hatte, ob auch für das Fachpublikum Verwechslungsgefahr bestünde. Im Ergebnis reichte es aber bereits aus, dass nach den Feststellungen der Vorinstanz bei den Endverbrauchern von Verwechslungsgefahr auszugehen war. Der Umstand der Verschreibungspflicht wird damit künftig nicht mehr kategorisch zu erhöhten Anforderungen an die Verwechslungsgefahr führen.
Leider trifft die Entscheidung keine Aussage darüber, ob im Arzneimittelbereich, also auch bei rezeptfreien Medikamenten, überhaupt von erhöhten Anforderungen an die Verwechslungsgefahr auszugehen ist. Eine generelle Aussage des EuGH hierzu wäre wünschenswert, zumal in den USA – ganz im Gegensatz zur oben beschriebenen Praxis – für Arzneimittelmarken von vornherein höhere Abstände zueinander gefordert werden. Wegen der mit tatsächlichen Verwechslungen verbundenen Gefahren gilt eine „Doctrine of greater care“ in diesem Produktsegment (ebenso für Medizinprodukte, vgl. USPTO, Entsch. v. 20.4.2007 zur Anmeldung Nr. 78/540,953). Die Beurteilungsmaßstäbe sind also genau umgekehrt, was aus Anmeldersicht äußerst unbefriedigend ist.