Die zum 1. Januar 1995 ins Leben gerufene Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO) gründet sich auf die Verträge GATT, GATS und TRIPS. „TRIPS“ steht dabei für „Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights“, auf Deutsch: „Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“. Tatsächlich legt das TRIPS-Übereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag einen Mindeststandard zum Schutz des geistigen Eigentums in den WTO-Mitgliedstaaten fest. Für die Anpassung älteren Rechts galt eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 1996.

So verlangt z.B. Art. 33 TRIPS für Patente eine Mindestlaufzeit von 20 Jahren ab dem Anmeldetag. Während das deutsche Patentrecht dem schon bei Inkrafttreten des Übereinkommens entsprach, mussten z.B. die USA ihr Patentgesetz 1994, das eine die Patentdauer von 17 Jahre ab Erteilung vorsah, ändern (unter bestimmten Umständen ist nun ein „patent term adjustment“ möglich, mit dem die Laufzeit etwas verlängert werden kann). Übergangsbestimmungen regeln klar und eindeutig, dass die neue Patentdauer für Patente gilt, die vom 8. Januar 1995 an angemeldet wurden. Für Patente mit früherem Anmeldetag gilt entweder die alte oder neue Laufzeit, je nachdem, welche später endet.

In Portugal hingegen, wo das alte Recht eine Laufzeit von 15 Jahren ab Erteilungstag vorsah, gab es Probleme mit den Übergangsbestimmungen. Zunächst existierte zwar eine Übergangsregel, die für alle vor dem 1. Juni 1995 eingereichten Patentanmeldungen die alte Laufzeit vorsah. Diese Übergangsregelung wurde dann aber im September 1996 ersatzlos aufgehoben.

Der portugiesische Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof) bekam es nun in einer Verletzungssache mit einem Klagepatent zu tun, das am 8. April 1981 erteilt wurde, so dass es nach altem portugiesischem Recht noch vor Aufhebung der Übergangsbestimmung ablief. Folglich wäre die auf dieses Patent gestützte Klage abzuweisen, es sei denn, jener Art. 33 TRIPS entfaltet für das portugiesische Patentrecht unmittelbare Wirkung, gilt also wie eine Gesetzesbestimmung.

Mit dieser Frage befasste der Supremo Tribunal de Justiça den EuGH. Der hatte bereits in seinem Urteil „Dior“ für einen Markenstreit befunden, dass es für die unmittelbare Geltung der TRIPS-Vorschriften darauf ankomme, ob es in dem Rechtsgebiet, um das es geht, harmonisiertes Gemeinschaftsrecht gebe. Ist das – wie im Markenrecht – der Fall, komme dem TRIPS-Übereinkommen keine unmittelbare Wirkung zu. Andernfalls sei dies eine Frage des nationalen Rechts (Urt. v. 14.12.2000 – C 300/98 und C 392/98 – Dior u.a.). Demzufolge musste der EuGH nun prüfen, ob das Patentrecht unter das harmonisierte Gemeinschaftsrecht fällt. Dazu nahm er sich die im Patentrecht existierenden Regelungen des Gemeinschaftsrechts vor, wobei er nur die Biopatentrichtlinie 98/44/EG vorfand, die allerdings keine Bestimmungen über die Patentlaufzeit enthält. Andere Vorschriften wie die der Sortenschutzverordnung 2100/94 sowie der Verordnungen über ergänzende Schutzzertifikate für Arzneimittel (1768/92) und Pflanzenschutzmittel (1610/96) betreffen andere Schutzrechte und könnten somit für die Patentlaufzeit nicht maßgeblich sein. Insgesamt habe die Gemeinschaft damit „zu wenig“ von ihrer Rechtssetzungskompetenz Gebrauch gemacht, als dass man das Patentrecht als Gemeinschaftsrecht ansehen könnte. Somit sei es an den portugiesischen Gerichten, selbst über die Verbindlichkeit des Art. 33 TRIPS in ihrem Land zu entscheiden (Urt. v. 11.9.2007 – C 431/05 – Merck Genéricos Produtos Farmacêuticos).

In Deutschland hat das jetzige Urteil zwar keine Bedeutung für die Patentlaufzeit, da es hier ja keinen Unterschied zum TRIPS-Übereinkommen gibt. Sie kann aber für eine andere Fragen auch in Deutschland durchaus relevant werden. Insbesondere bleibt mit Spannung abzuwarten, ob die Patentverletzungsgerichte die Entscheidung nutzen, um das Beweisrecht weiter zu entwickeln. Hier liegt, da die einschlägige Durchsetzungsrichtlinie (2004/48/EG) weiter ihrer Umsetzung harrt, noch einiges im Argen. Ein materiellrechtlicher Anspruch auf Vorlegung von Sachen nach § 809 BGB wird zwar von einigen Gerichten, insbesondere im Rahmen des „Düsseldorfer Modells“, fleißig angewandt. Er bezieht sich aber nur auf den mutmaßlichen Verletzungsgegenstand selbst, versagt also, wenn es um anderweitige Beweismittel wie etwa Konstruktionszeichnungen geht (s. etwa KG, Urt. v. 8.3.1919, GRUR 1919, 179). Der BGH hält in solchen Fällen zwar eine prozessuale Vorlegungsanordnung nach §§ 142, 144 ZPO für möglich, stellt dies allerdings unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit für den vermeintlichen Verletzer, die u.a. gegen die Intensität des Schutzrechtseingriffs abzuwägen sei (Urt. v. 1.8.2006 – X ZR 114/03 – Restschadstoffentfernung). Ein derart weites Ermessen dürfte Art. 43 TRIPS nicht eröffnen, so dass abzuwarten bleibt, ob die Patentstreitkammern das EuGH-Urteil zum Anlass nehmen, über Art. 43 TRIPS Vorlageanordnungen zu treffen, ohne umfassende Interessenabwägungen wie nach §§ 142, 144 ZPO vorzunehmen. Bislang hat der für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat hat – im Gegensatz zum I. Zivilsenat für das Urheberrecht (Urt. v. 2.5.2002 – I ZB 45/02 – Faxkarte) – offen gelassen, ob Art. 43 TRIPS unmittelbar angewendet werden könnte (a.a.O. – Restschadstoffentfernung).

Besser noch wäre allerdings die überfällige Umsetzung jener Durchsetzungsrichtlinie. Der derzeitige Gesetzesentwurf sieht in § 140c Abs. 1 Satz 1 PatG einen materiellrechtlichen Vorlage- und Besichtigungsanspruch vor, der sich im Gegensatz zu § 809 BGB nicht nur auf den Verletzungsgegenstand, sondern auf Urkunden und Sachen allgemein richtet und somit auch Konstruktionszeichnungen u. dgl. erfassen würde. Dieser materiellrechtliche Anspruch hätte u.a. zur Folge, dass bereits die bloße Nichterfüllung einer Vorlageanordnung über §§ 422, 427, 431 Abs. 2 Satz 2 ZPO zur Verurteilung wegen Patentverletzung führen kann. Eine derart scharfe Sanktion sehen §§ 142, 144 ZPO so nicht vor (BGH, Urt. v. 26.6.2007 – X ZR 277/05), wohl aber Art. 43 Abs. 2 TRIPS, welcher allerdings schon nach seinem Wortlaut nicht unmittelbar anwendbar ist.