Werden nachgeahmte Waren im Grenzbeschlagnahmeverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 („Produktpiraterieverordnung“ oder „Grenzbeschlagnahmeverordnung“) aufgegriffen, so bestimmt Art. 18 dieser Verordnung, dass der zuständige Mitgliedstaat wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängt. Gleichzeitig sieht Art. 11 der Verordnung die Möglichkeit eines „vereinfachten Verfahrens“ für die Vernichtung der Ware vor (zur Anwendung in Deutschland s. Beitrag v. 22.8.2008). Das ermöglicht den beteiligten Parteien auf Rechtsinhaber- und Verletzerseite, die Angelegenheit ohne Einschaltung eines Gerichts einvernehmlich zu klären.

Der Zoll in Lettland sah sich in einem Fall, den die zivilrechtlich Beteiligten auf dieser Basis geregelt hatten, aufgrund Art. 18 gleichwohl gehalten, ein Bußgeld gegen die betroffene Zollagentur zu verhängen. Diese wehrte sich mit einer Anfechtungsklage, gestützt insbesondere auf das Argument, dass die Frage, ob überhaupt ein Rechtsverstoß vorlag, überhaupt nicht gerichtlich geklärt worden sei. In der Tat hatte der Zoll die Rechtsverletzung allein aufgrund einer Auskunft der Rechtsinhaberin festgestellt.

Der im Rahmen des Gerichtsverfahrens eingeschaltete EuGH gab dem Zoll jedoch Recht (Urt. v. 12.2.2009 – C 93/08). Art. 18 der Verordnung sehe zwingend die Verhängung einer Sanktion vor, ganz gleich, ob die Vernichtung über Art. 11 erfolge oder nicht. Die freiwillige Vernichtung ersetze nicht die von einer Behörde zu verhängende Sanktion. Was die Beweisbarkeit angehe, so sehe die Verordnung vor, dass vor der Vernichtung nach Art. 11 Proben zu Beweiszwecken zu sichern sind.

Aus deutscher Sicht wirft die Entscheidung die Frage auf, ob ein Bußgeldtatbestand geschaffen werden muss, um der Forderung des EuGH gerecht zu werden. Die bislang mögliche Strafanzeige für den deutschen Zoll ist keine von der Behörde selbst verhängte Sanktion, und die Wirksamkeit in der Praxis ist doch sehr zweifelhaft.