Ist eine Marke an sich nicht eintragungsfähig, etwa weil es an Unterscheidungskraft fehlt, so kann die Eintragung dennoch möglich sein, wenn die Marke bereits in einem so erheblichen Umfang benutzt worden ist, dass der Verkehr sie ohnehin einem bestimmten Unternehmen zuordnet. Diese „Verkehrsdurchsetzung“ muss der Anmelder im Eintragungsverfahren nachweisen.
Nun stellt sich oft erst nach der Einreichung der Markenanmeldung heraus, dass dieser Nachweis zu erbringen ist, nämlich dann, wenn der Markenprüfer Einwendungen gegen die Schutzfähigkeit erhoben hat. Hat der Anmelder dann kein Nachweismaterial parat, etwa Umfragegutachten aus der Zeit vor dem Anmeldetag, dann steht er vor dem Problem, die Verkehrsbekanntheit seiner Marke an einem zurückliegenden Tag nachträglich belegen zu müssen.
Da das praktisch unmöglich ist, lässt das deutsche Markenrecht auch solche Belege gelten, die die Bekanntheit erst zu einem späteren Zeitpunkt beweisen. Wird die Verkehrsdurchsetzung auf diesem Weg nachgewiesen, dann muss sich der Anmelder allerdings mit einer „Zeitrangverschiebung“ abfinden, d. h. als Anmeldetag gilt nicht d tatsächliche Datum der Einreichung der Anmeldeunterlagen, sondern der Tag, für den die Verkehrsdurchsetzung festgestellt werden konnte (§ 37 Abs. 2 MarkenG). Die Marke hat dann gegenüber etwaigen zwischenzeitlich erworbenen Kennzeichenrechten das Nachsehen. Immerhin aber haben Anmelder die Möglichkeit, das Anmeldeverfahren verfahrensökonomisch zu betreiben. Sie sind nicht gezwungen, im Vorhinein die Kosten für die Beweissammlung aufzuwenden.as
Bei Gemeinschaftsmarken hingegen besteht ein solcher Zwang. Denn die Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) sieht eine Zeitrangverschiebung nicht vor. Es muss also vor der Anmeldung entschieden werden, ob die Belege für eine etwaig geforderte Verkehrsdurchsetzung beschafft werden sollen. Das ist besonders deshalb problematisch, weil meist die Verkehrsdurchsetzung für die gesamte EU nachgewiesen werden muss, was entsprechende Kosten verursacht.
Ein Gemeinschaftsmarkenanmelder hielt das für unsachgemäß und beschritt den gesamten Instanzenzug bis hoch zum EuGH – mit durchaus beachtlichen Argumenten. So sieht die Gemeinschaftsmarkenverordnung vor, dass eine Gemeinschaftsmarke, die nachträglich mit einem Löschungsantrag angegriffen werde auch damit verteidigt werden kann, dass Verkehrsdurchsetzung erst für einen Zeitpunkt nach dem Anmeldetag nachgewiesen wird (Art. 52 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009). Auch habe es der EuGH bei der Beurteilung von Markenkollisionen für zulässig gehalten, Umstände aus dem Zeitraum nach dem Kollisionszeitpunkt heranzuziehen (Urt. v. 27. April 2006 – C 145/05 – Levi Strauss). Anzufügen ist, dass selbst bei der rechtserhaltenden Benutzung Umstände aus der Zeit nach dem maßgeblichen Fünfjahreszeitraum eine Rolle spielen können (Beschl. v. 27.1.2004 – C 259/02 – La Mer Technology).
Der EuGH jedoch wies die Klage ab und hielt am Wortlaut der GMV fest, wonach die Verkehrsdurchsetzung am Anmeldetag feststehen müsse, um Berücksichtigung finden zu können (Urt. v. 11.6.2009 – C 542/07 P – Imagination Technologies). Nach seiner Begründung misst der EuGH den Interessen des Inhabers einer bereits eingetragenen Marke höheres Gewicht bei als denen eines Markenanmelders. Denn die erfolgte Eintragung gebe Anlass für ein schutzwürdiges Vertrauen des Markeninhabers in den Rechtsbestand, während ein Anmelder kein Anlass für ein solches Vertrauen habe. Ein anderes Ergebnis war dem EuGH wohl auch kaum möglich, denn er hätte qua Richterrecht das Instrument der Zeitrangverschiebung in die GMV „einbauen“ müssen, damit Konflikte mit anderen Zeichenrechten sinnvoll gelöst werden können. Ein solcher Eingriff in das System der GMV war vom EuGH als Rechtsprechungsorgan aber schwerlich zu erwarten.