Die Kennzeichnung von Lebensmitteln ist im Interesse des Verbraucherschutzes stark reguliert. Beispielsweise werden gesundheits- und nährwertbezogene Angaben für Lebensmittel durch die Verordnung (EG) 1924/2006 (die sogenannte Health Claims Verordnung, HCVO) reglementiert. Unter einer gesundheitsbezogenen Angabe versteht die HCVO „… jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht …“ (Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO). Von den Gerichten wird dies regelmäßig weit ausgelegt. So hat der EuGH zum Beispiel entschieden, dass die Bezeichnung „bekömmlich“ für einen Wein mit reduziertem Säuregehalt eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der HCVO darstellt (EuGH Urteil v. 6.9.2013 – C 544/10). Die HCVO unterwirft die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben für Lebensmittel einem Verbot mit Zulassungsvorbehalt (vgl. Art. 10 Abs. 1 HCVO).
Erfasst werden durch die HCVO grundsätzlich auch Handels- und Markennamen, sofern diese als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben aufgefasst werden können. Allerdings enthält die Verordnung mit Art. 28 Abs. 2 eine relativ lang laufende Übergangsbestimmung für Bestandsmarken. Demnach dürfen Produkte mit bereits vor dem 1. Januar 2005 bestehenden Handelsmarken oder Markennamen, die der HCVO nicht entsprechen, bis zum 19. Januar 2022 weiterhin in den Verkehr gebracht werden. Ob sich diese Norm nur auf Lebensmittel bezieht, die bereits vor dem 1. Januar 2005 mit einer entsprechenden Handelsmarke oder einem entsprechenden Markennamen versehen waren, oder ob sie allgemein die produktbezogene Verwendung von bereits vor dem 1. Januar 2005 bestehenden Handelsmarken oder Markennamen erfasst, erscheint zunächst fraglich.
Der EuGH hatte nun Gelegenheit, sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens auch mit der Auslegung von Art. 28 Abs. 2 HCVO zu befassen (Urteil vom 18. Juli 2013, C-299/12, siehe Vorlagefrage 3). Der zugrunde liegende Sachverhalt betraf die Vermarktung eines Nahrungsergänzungsmittels, das bereits vor dem 1. Januar 2005 auf den tschechischen Markt gebracht wurde. Vermarktet wurde das Mittel auf der Verpackung mit der Angabe „Das Mittel enthält zudem Kalzium und Vitamin D3, die dazu beitragen, das Risiko des Auftretens von Osteoporose und von Brüchen zu senken“ . Das vermarktende Unternehmen vertrat unter anderem die Auffassung, dass die Übergangsregelung des Art. 28 Abs. 2 HCVO auf das Nahrungsergänzungsmittel Anwendung fände, da die Norm sich auf die Produkte als solche bezöge und nicht auf die Handelsmarken oder Markennamen, mit denen die Produkte bezeichnet würden. Dem ist der EuGH nicht gefolgt. Nach Ansicht des EuGH bezieht sich Art. 28 Abs. 2 HCVO vielmehr nur auf solche Lebensmittel, die mit einer Handelsmarke oder Markennamen versehen sind, die oder der als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der HCVO aufzufassen ist, und die in dieser Form bereits vor dem 1. Januar 2005 bestanden.
Demnach legt der EuGH die Übergangsregelung des Art. 28 Abs. 2 HCVO eng aus, was bei der Benutzung von Bestandsmarken zu berücksichtigen ist. Vorsicht dürfte insbesondere im Hinblick auf nachträgliche Rezepturänderungen von mit Bestandsmarken gekennzeichneten Lebensmitteln geboten sein, die „in dieser Form“ nicht bereits vor dem 1. Januar 2005 bestanden.