Patentgeschützte Arzneimittel, die in der Regel ein langwieriges Zulassungsverfahren durchlaufen, können im Wege eines ergänzenden Schutzzertifikats („SPC“) auf Antrag und gestützt auf ein Grundpatent für maximal weitere 5 Jahre Schutz bekommen. Eine der Vorrausetzungen für in Europa auf nationaler Ebene erteilten SPCs ist, dass es sich bei dem im Wege des SPC zu schützenden Erzeugnisses um einen „Wirkstoff“ oder eine „Wirkstoffzusammensetzung“ handelt [Artikel 1(b) der Verordnung (EG) 469/2009].
In Ermangelung einer Definition der Begriffe „Wirkstoff“ und „Wirkstoffzusammensetzung“ in der Verordnung bekommt der EuGH regelmäßig Vorabentscheidungsfragen von den für die SPC-Erteilung verantwortlichen nationalen Behörden bzw. Gerichten zur Auslegung der strittigen Begrifflichkeiten vorgelegt. Zuletzt hatte der EuGH mit seinem Urteil vom 4. Mai.2006, C-431/04 (s. Beitrag v. 24.05.2006), klargestellt, dass ein Trägerstoff, der keine eigene arzneiliche Wirkung entfaltet und lediglich dazu dient, eine bestimmte Darreichungsform des Arzneimittels zu erreichen, nicht unter den Begriff „Wirkstoff“ fällt. Gemäß dem Urteil ist auch eine Zusammensetzung aus zwei Stoffen, von denen nur einer eine arzneiliche Wirkung besitzt, keine „Wirkstoffzusammensetzung“ im Sinne der Verordnung.
Bei dieser engen Begriffsauslegung blieb der EuGH auch bei Fragen zu zwei SPCs, die GlaxoSmithKline für das unter dem Namen Prepandrix zugelassene Erzeugnis und gestützt auf zwei entsprechende Grundpatente beantragt hatte (Urteil vom 14. November 2013, C-210/13). Das erste Grundpatent schützte ein spezielles Adjuvant (AS03), das zweite Grundpatent das Adjuvant in Kombination mit einem Wirkstoff gegen die Vogelgrippe (Antigen gegen den H5N1-Stamm des Influenza-A-Virus).
Die zu berücksichtigende Besonderheit bestand darin, dass im Unterschied zu einem innerten Trägerstoff (C-431/04) das Adjuvant die Wirkung des arzneilichen Wirkstoffantigens verstärkt und folglich auch eine eigene physiologische Wirkung auf den Körper entfaltet.
Dieser feine Unterschied spielte aber für den EuGH in seinem Urteil C-210/13 keine Rolle, da das Adjuvant allein keine therapeutische Wirkung entfaltet und daher nicht unter den Begriff „Wirkstoff“ im Sinne von Artikel 1(b) der SPC-Verordnung 469/2009 fällt. Auch könne man bei Prepandrix nicht von einer „Wirkstoffzusammensetzung“ sprechen, da der Adjuvantbestandteil des Medikaments kein eigenständiger „Wirkstoff“ ist und in Abgrenzung zu „Wirkstoffen“ Adjuvants in Abschnitt 3.2.2.1 des Anhangs I Teil I „Standardanforderungen an einen Zulassungsantrag“ der EU-Richtlinie 2003/63 vom 25.05.2003 lediglich als „Hilfsstoffe“ genannt sind.