Der Schutzbereich einer Marke vergrößert sich, wenn die Marke umfangreich benutzt wird. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Verbraucher ihm bekannte Marken eher in fremden, ähnlichen Zeichen wiederzuerkennen glaubt (BGH, Urt. v. 6.7.2000 – I ZR 21/98 – Drei-Streifen-Kennzeichnung). Man spricht dann von einer „gesteigerten Kennzeichnungskraft“ oder „besonderen Unterscheidungskraft“ der Marke.

Die Darlegung eines solchermaßen erhöhten Schutzumfangs im Verletzungsprozess oder Widerspruchsverfahren ist jedoch nicht ganz einfach. Insbesondere das für Gemeinschaftsmarken zuständige Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) legt regemäßig äußerst strenge Maßstäbe an die zu erbringenden Nachweise an. Dies bekam beispielsweise General Motors zu spüren, als sich das HABM weigerte, eine Bekanntheit der Marke „GM“ in der Europäischen Union anzuerkennen (Entsch. v. 18.12.2007 – B 687 030). Zuweilen lässt das Amt die Bekanntheit einer Marke in nur einem Mitgliedstaat nicht genügen (für Deutschland z.B. jüngst noch Entsch. v. 8.8.2008 – B 829 079).

Ein aktuelles EuGH-Urteil lässt von nun an aber eine flexiblere Handhabung erwarten. So traf das Gericht unter anderem folgende Klarstellungen (Urt. v. 17.7.2008 – C 448/06 P – Aire Limpio):

  •  Die Kennzeichnungskraft einer Marke kann auch dadurch gesteigert sein, dass sie nur in einem Mitgliedsland (im Streitfall Italien) umfangreich benutzt wurde.
  •  Dabei kann auch eine langjährige Benutzung als Faktor in die Beurteilung einfließen (was das deutsche Bundespatentgerichts regelmäßig berücksichtigt, s. BPatG, Beschl. v. 21.9.2000 – 25 W (pat) 71/99 – KORODIN/RODININ; Beschl. v. 16.10.2001 – 24 W (pat) 153/99, BlPMZ 2002, 290, 292 – Astro Boy).
  • Obwohl die Bekanntheit zum Anmelde- bzw. Prioritätstag der jüngeren Marke, bezüglich derer Verwechslungsgefahr zu prüfen ist, vorliegen muss, kann auch Material aus der Zeit danach zu berücksichtigen sein. So billigte es der EuGH ausdrücklich, dass die Vorinstanz aus hohen Marktanteilszahlen (50 %) für die Jahre 1997 und 1998 auf eine Bekanntheit bereits im Jahr 1996 schloss, da Marktanteilszahlen normalerweise allmählich anstiegen.
  •  Umgekehrt kann ebenso Material zu verwerten sein, dass aus der Zeit vor der Anmeldung der älteren Marke stammt. Wurde nämlich ein Zeichen umfangreich als Marke benutzt, bevor es zur Markeneintragung angemeldet wurde, dann steigert auch das die Bekanntheit des Zeichens, was der später angemeldeten und eingetragenen Marke zugute kommt. Das kann, so der EuGH, sogar dann gelten, wenn das fragliche Zeichen Teil einer älteren komplexeren Marke ist, die früher schon eingetragen war und umfangreich benutzt wurde.

Somit wird das HABM sich künftig eingehender mit dem ihm vorgelegten Benutzungsmaterial auseinanderzusetzen haben. Es wird insbesondere Verkehrsbefragungen von Meinungsforschungsinstituten auch dann zu berücksichtigen haben, wenn sie nur in einem Land durchgeführt wurden.