Teilanmeldungen ermöglichen es, einen ausgewählten Teil aus einer Stammanmeldung herauszulösen und in einem von der Stammanmeldung getrennten Verfahren weiterzuführen, sofern sich die Zeitschranke von zwei Jahren nach Erhalt des ersten Prüfungsbescheids in der Stammanmeldung noch nicht geschlossen hat (s. Beitrag vom 6.4.2009) und die Stammanmeldung noch „anhängig“ ist (R. 36 EPÜ 2000).
Nach bisheriger Praxis des EPA galt eine durch die Prüfungsabteilung zurückgewiesene Stammanmeldung bereits am Tag der Entscheidung über die Zurückweisung nicht mehr als anhängig, es sei denn der Anmelder legte Beschwerde gegen die Zurückweisung der Stammanmeldung ein (Mitteilung des EPA vom 9.1.2002, Ziffer 1, Absatz 2).
Im Ergebnis führte diese Amtspraxis dazu, dass Anmelder gezwungen wurden, vor dem Tag einer möglichen Zurückweisung, beispielsweise dem Tag einer mündlichen Verhandlung nach Art. 116 EPÜ, sicherheitshalber kostenträchtige Teilanmeldungen einzureichen oder nach der Zurückweisung der Stammanmeldung formell Beschwerde einzulegen, um mittels der damit aufrecht erhaltenen Anhängigkeit der Stammanmeldung doch noch eine wirksame Teilanmeldung einreichen zu können.
Diese befremdliche Praxis erübrigt sich in Zukunft mit Blick auf die Entscheidung G 1/09 der Großen Beschwerdekammer des EPA vom 27. September 2010 mit folgendem Leitsatz:
„ Eine europäische Patentanmeldung, die durch eine Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen wurde, ist, wenn keine Beschwerde eingelegt worden ist, noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist anhängig im Sinne der Regel 25 EPÜ 1973 (R. 36(1) EPÜ).“
Der Anmelder kann jetzt die Entscheidung der Prüfungsabteilung abwarten und im Falle der Zurückweisung immer noch entscheiden, ob innerhalb der Beschwerdefrist eine Teilanmeldung eingereicht werden soll.