Der Schutzumfang von Geschmacksmustern ist aus der Sicht des „informierten Benutzers“ zu ermitteln. Dies ist eine gedachte Person, die mit dem einschlägigen Warengebiet vertraut ist, über Kenntnisse des Designbestands in der maßgeblichen Produktkategorie verfügt und ein gewisses Designbewusstsein hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.4.2007 – I-20 U 128/06). Es ist also weder auf den Laien abzustellen, der Unterschiede zwischen Gestaltungen eher leicht übersieht, noch auf den Fachmann, dem jedes Detail auffällt. Ruft aus Sicht des „informierten Benutzers“ die Erscheinungsform eines Erzeugnisses denselben Gesamteindruck hervor wie ein älteres Muster, so fällt sie in dessen Schutzbereich und kann ihrerseits nicht als Geschmacksmuster geschützt werden.
Geht es um Kinderspielzeug, so stellt sich die Frage, ob konsequenterweise Kinder als „informierte Benutzer“ zu gelten haben. Entsprechend phantasievolle Argumente ließen sich dann über das Designbewusstsein entwickeln.
Dass im Fall von Spielzeug durchaus Kinder als „informierte Benutzer“ zu berücksichtigen sind, bestätigte nun das EuG (Urt. v. 18.03.2010 – T-9/07), fügte aber gleich hinzu, dass es ebenso auf die Sicht von „Marketingmanagern“ auf dem einschlägigen Warengebiet ankomme. Zur Entscheidung stand ein Löschungsantrag gegen ein Geschmacksmuster, für das als Erzeugniskategorie „Werbeartikel für Spiele“ angegeben war. Allerdings ergab sich aus dem Muster, dass es speziell um Tazos ging, die von 5 bis 10jährigen benutzt werden. Für den „informierten Benutzer“ sei entscheidend, so das Gericht, dass sowohl diese Konsumentengruppe als auch die mit dem Produkt befassten Marketingmanager diese Produkte kennen.
Damit stellt das Gericht einen sehr abstrakten Beurteilungsmaßstab auf. Anders, als der Wortlaut der Gesetzesformulierung („informierter Benutzer“) vermuten lässt, soll es nicht entscheidend auf die Konsumentensicht ankommen, sondern nur auf das Vorhandensein einer gewissen Vorbildung über Designs im einschlägigen Produktbereich.
Im Ergebnis war gleich die erste Klage gegen eine Entscheidung des HABM in einem Löschungsverfahren betreffend ein Gemeinschaftsgeschmackmuster erfolgreich. Anders als die Beschwerdekammer bemaß das Gericht den Schutzbereich des älteren Musters relativ großzügig, womit sich der Trend bestätigt, dass das Gemeinschaftsgeschmacksmuster mehr und mehr die Hauptrolle beim Schutz gegen Produktnachahmungen übernimmt (s. schon Beitrag v. 25. Juli 2007).