Erfreulicherweise erweist sich derzeit das Geschmacksmuster nach neuem Recht einschließlich des Gemeinschaftsgeschmacksmusters in der Praxis als wirksames Mittel zum Schutz von Produktdesigns. Damit ein Geschmacksmuster aber schutzfähig ist, muss es neu und eigenartig sein. Hierzu muss es sich im Gesamteindruck hinreichend von anderen Geschmacksmustern unterscheiden, die bereits offenbart, d.h. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, worden sind.
An einer solchen Offenbarung fehlt es, wenn der Offenbarungsakt „den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Wirtschaftsverlauf nicht bekannt sein konnte.“ (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung Nr. 6/2002, § 5 Satz 1 des Geschmacksmustergesetzes). Diese Ausnahmeklausel spielt immer dann eine Rolle, wenn es um eine Offenbarung in einem Land außerhalb der EU geht.
Hier wiederum rückt immer öfter die Volksrepublik China ins Blickfeld, und nicht selten geht es um Streitigkeiten, die sich aus einer gescheiterten Lieferbeziehung zwischen einem chinesischen Lieferanten und einem europäischen Importeur entzünden. Meistens versucht Letzterer, seinen ehemaligen Geschäftspartner am eigenen Vertrieb des Produkts nach Europa durch Geschmacksmusterschutz zu hindern. Es gibt aber auch die umgekehrte Konstellation, in der der chinesische Hersteller versucht, den Partner über Geschmacksmusterschutz doch noch an sich zu binden. Noch geschieht das meist in China selbst. So meldeten chinesische Anmelder 2006 daheim über 188.000 Geschmacksmuster an (von 201.322 Anmeldungen insgesamt – zum Vergleich: 17.628 Gemeinschaftsgeschmacksmusteranmeldungen und 51.014 Anmeldungen beim DPMA in 2006). Aber auch die Zahl der Gemeinschaftsgeschmacksmusteranmeldungen von Chinesen schnellte von 262 in 2005 auf 441 im Jahr 2006 hoch, und in diesem Jahr sind es bereits 641 (bis einschl. Okt).
Da nicht wenige der angemeldeten Designs zuvor in China auf die eine oder andere Weise publiziert wurden, stellt sich für die Schutzfähigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters die Frage, ob diese Offenbarung neuheitsschädlich ist oder ob die „Fachkreise“ im Sinne des o.g. Ausnahmetatbestandes davon keine Kenntnis nehmen würden. Für Veröffentlichungen im chinesischen Geschmacksmusterregister im Bereich der Haushaltswaren und Küchengeräte wurde letzteres bereits vom OLG Hamburg verneint, d.h. solche Veröffentlichungen wurden als neuheitsschädlich für Gemeinschaftsgeschmacksmuster angesehen (Urt. v. 7.6.2006 – 5 U 96/05 – Gebäckpresse – mit einem Unternehmen aus Hongkong auf der Klägerseite). Für anderweitige Veröffentlichungen von Designs von Küchenmaschinen, etwa auf wichtigen Handelsmessen oder in der chinesischen Fachpresse, hat sich nun die Dritte Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM, für Geschmacksmustereintragungen zuständige Behörde in Alicante) angeschlossen (Entsch. v. 11.7.2007 – R 377/2006-3 – MIXER). Sie ließ den Löschungsantrag gleichwohl scheitern, weil die Beweismittel für die Veröffentlichung im konkreten Fall nicht genügten.
Es ist absehbar, dass diese Rechtsprechung auf alle Produktsektoren ausgedehnt wird, in denen der Import aus China vergleichsweise üblich ist. Unternehmen, die in diesen Bereichen tätig sind, ist unbedingt nicht nur zur frühzeitigen Anmeldung ihrer Designs zu raten, sondern auch zur sorgfältigen Dokumentation der Entstehungsgeschichte und erstmaligen Veröffentlichung. Auf Neuheitsschonfristen (zwölf Monate in Europa, sechs in China) sollte man sich nicht verlassen, weil in diesen Konstellationen häufig auch ein Streit darüber entsteht, wer der Entwerfer ist, also das Design geschaffen hat, was gerade auch die Neuheitsschonfrist in Frage stellen kann.