Unter dem bis Mai 2004 gültigen deutschen Geschmacksmustergesetz war es anerkannt, das auch Teilen von Geschmacksmustern eigenständiger Schutz zukommen konnte, wenn diese Teile eine gewisse Eigenständigkeit und Geschlossenheit der Form aufwiesen und für sich genommen die Voraussetzungen für Geschmacksmusterschutz, namentlich Neuheit und Eigentümlichkeit, erfüllten. Für Anmelder von Geschmacksmustern bedeutete dies eine große Vereinfachung, denn bei Einreichung von möglichst detailreichen Fotografien neuer Produkte waren die Schutzmöglichkeiten recht gut ausgeschöpft. Wer hiervon nur Teile übernahm, dem drohte eine Inanspruchnahme nach den Grundsätzen des Teilschutzes.

Nach Inkrafttreten der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung im Jahr 2002 sowie des neuen deutschen Geschmacksmustergesetzes 2004 war strittig, ob ein solcher Teilschutz weiterhin in Betracht kam (bejahend z. B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.4.2007 – I-20 U 156/06; verneinend z. B. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 15.5.2008 – 6 U 182/07).

Der BGH hat sich nun dagegen ausgesprochen (Urt. v. 8.3.2012 – I ZR 124/10 – Weinkaraffe). Der neue Gesetzeswortlaut lasse keinen Raum für einen Teilschutz. Es bestünde auch kein Bedürfnis mehr, nachdem das neue Geschmacksmusterrecht auch ausdrücklich die Möglichkeit biete, Erscheinungsformen von Teilen von Erzeugnissen zu schützen. Zudem komme es der Rechtssicherheit entgegen, wenn für jeden Schutzgegenstand eine eigene Eintragung existiere.

Für die Anmeldepraxis bedeutet das, dass sehr viel gründlicher als nach früherem Recht zu überlegen ist, welche Merkmalskombinationen eigenständig schutzbegründend sein sollen und dementsprechend gesondert anzumelden sind. Kommen – wie häufig – mehrere Kombinationen in Betracht, wird verstärkt auf Sammelanmeldungen zurückzugreifen sein.

In seinem Urteil nahm der BGH auch zur Auslegung von Geschmacksmusteranmeldungen Stellung. Danach komme es mitunter nicht nur auf die Wiedergabe an, sondern auch auf weitere Umstände wie etwa Beschreibung oder Erzeugnisangabe können den Schutzgegenstand mitbestimmen. Weisen einige Darstellungen derselben Anmeldung ein bestimmtes Merkmal auf, während es andere nicht zeigen, dann fällt das Merkmal nicht zwingend aus dem Schutzgegenstand heraus. Vielmehr kann die gebotene Auslegung auch dazu führen, dass es zwingender Bestandteil des Musters ist, also die Darstellungen, in denen es fehlt, nur als Teilansichten zu verstehen sind.