Bei der Verwendung von Open Source Lizenzen, insbesondere bei sog. Copyleft-Lizenzen wie der GNU Public License (GPL), stehen den weitreichenden Nutzungsbefugnissen an der Software zumeist ebenfalls weitgehende Pflichten des Lizenznehmers gegenüber, wenn dieser seinerseits die Software weitergibt. Im Falle der GPL ist dies beispielsweise die Pflicht zur Mitlieferung des zum Objectcode korrespondierenden Quellcodes und des Lizenztexts sowie die Pflicht zu ausreichenden Urhebervermerken. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtungen führt hier aber nicht nur zu einer bloßen Lizenzvertragsverletzung. Vielmehr bewirkt ein Verstoß den Wegfall sämtlicher Nutzungsrechte (vgl. z. B. Ziff. 4 S. 2 der GPLv2), so dass die Weitergabe der Software dann einen Urheberrechtsverstoß darstellt. Entsprechend bejahten in der Vergangenheit die Gerichte eine Urheberrechtsverletzung für den Fall, dass überhaupt kein Quellcode zur Verfügung gestellt wurde (vgl. LG München I v. 19.5.2004 – 21 O 6123/04; LG Frankfurt/M. v. 6.9.2006 – 2-06 O 224/06).
Dass die Verpflichtung zur Bereitstellung auch des korrespondierenden Quellcodes, vom Lizenznehmer nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist, zeigt nun eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG Hamburg, Urt. v. 14.6.2013 – 308 O 10/13 – FANTEC). So stellte das Landgericht stellt klar, dass bereits das Bereithalten von GPL-lizenzierter Software zu einem Lizenzverstoß und damit zu einer Urheberrechtsverletzung führt, wenn Quellcode bereitgestellt wird, dieser aber nicht den vollständigen Quellcode zum korrespondierenden Objectcode enthält. Im Verfahren wurde eine Anbieterin eines Media-Players, der u. a. mit GPLv2 lizenzierter Software betrieben wurden, in Anspruch genommen, die zwar Quellcode der Media-Player-Software zur Verfügung stellte. Allerdings entsprach dieser nicht dem aktuelleren Quellcode, der dem auf den Geräten verwendeten Objectcode zu Grunde lag.
Der Anbieterin half es im Übrigen auch nicht, darauf zu verweisen, dass ihrerseits ihr Lieferant bereits lizenzwidrigen Code zur Verfügung gestellt habe. Denn – so das Landgericht – ein derartiger Lizenzverstoß ist bereits dann fahrlässig von der Lizenznehmerin verursacht, wenn weder eine eigene Überprüfung des Codes noch eine Prüfung durch sachkundige Dritte durchgeführt worden ist – und zwar auch dann, wenn dies mit zusätzlichen Kosten verbunden sein sollte.
Für die Anbieter von Open Source Software – unabhängig davon, ob sie die Software als solche oder zusammen mit Hardware vertreiben – ist es somit unabdingbar, geeignete Open Source Software Compliance-Mechanismen zu etablieren. Zudem ist es erforderlich, die jeweiligen Software-Lieferanten in die Pflicht zu nehmen. So sollte sichergestellt sein, dass eindeutige Regelungen getroffen werden, den korrespondierenden Quellcode konsistent zur Verfügung zu stellen, und dass im Fall eines Lizenz- bzw. Urheberrechtsverstoßes durchsetzbare Freistellungs- und Regressregelungen greifen.