Ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. November 2007 (Az.: 4a O 178/07 – Fahrradanhänger) zeigt schulbuchmäßig, wie wichtig es ist, vor Markteinführung technischer Neuerungen die Patentsituation abzuklären:
Kurz nach Messepräsentation eines neuen Produkts wurde die spätere Antragsgegnerin wegen Patentverletzung abgemahnt. Um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden, gab sie zunächst eine Unterlassungserklärung ab. Diese befristete sie jedoch auf einige Wochen, um zunächst Angriffsmöglichkeiten auf das Patent prüfen zu können. Die Patentinhaberin jedoch beantragte noch binnen der Frist den Erlass einer einstweiligen Verfügung – dies musste sie tun, wenn sie nicht den Verlust der „Dringlichkeit“ durch zu zögerliche Rechtsverfolgung riskieren wollte. Das Landgericht Düsseldorf erließ die beantragte Beschlussverfügung.
Nachdem die Antragsgegnerin Material für eine Nichtigkeitsklage gegen das Patent gesammelt hatte, reichte sie Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht ein. Hierauf gestützt beantragte sie mit einem Widerspruch Aufhebung der einstweiligen Verfügung.
Das Gericht hielt jedoch an seiner Entscheidung fest. Dass sich die Antragsgegnerin des Verfügungspatents nicht bewusst war, spielte keine Rolle. In einem einzigen Satz wies das Gericht darauf hin, dass es für den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht auf ein Verschulden ankommt.
Die Antragsgegnerin scheiterte mit ihrem Argument, dass die Schutzfähigkeit nicht zweifelsfrei feststünde. Immerhin handelt es sich hierbei um einen Einwand, mit dem eine einstweilige Verfügung zu Fall gebracht werden kann. Denn die Rechtsprechung berücksichtigt im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung (§ 940 ZPO) auch, ob eine hinreichend „gesicherte Rechtsbeständigkeit“ des Verfügungspatents besteht (z.B. OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.4.1988 – 6 U 13/88 – Dutralene; LG Düsseldorf, Beschl. v. 21.12.1999 – 4 O 499/99 – Phytase-Präparat; LG Hamburg, Urt. v. 22.4.2002 – 315 O 64/02 – Seifenverpackung). Richtig war es auch, zunächst die Nichtigkeitsklage und dann den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einzulegen. Denn die Gerichte verlangen regelmäßig, dass die Angreifbarkeit des Schutzrechtes nicht nur behauptet wird, sondern der Angriff auch erfolgt (z.B. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.11.2001 – 6 U 153/01 – Eilbedürfnis in Patentsachen; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2007 – 2 U 98/06 – Kleinleistungsschalter). Ferner war es sachgerecht, dass die Antragsgegnerin ihren Angriff auf Patentliteratur stützte. Gerade die Düsseldorfer Gerichte stehen einem Angriff, der sich auf behauptete offenkundige Vorbenutzungen stützt, äußerst reserviert gegenüber, weil sie der Beweiswürdigung des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren nicht vorgreifen wollen (z.B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2006 – 2 U 55/05 – Stabilisierung von Förderstrecken-Druckprodukten).
Keines der von der Antragsgegnerin aufgefundenen Dokumente war jedoch neuheitsschädlich, d.h. offenbarte den Schutzgegenstand des Verfügungspatents, wie die Patentstreitkammer befand. Demgemäß hätte der Angriff auf mangelnde erfinderische Tätigkeit („Erfindungshöhe“) gestützt werden müssen. Doch dafür fehlte offenbar die Zeit. Das Gericht begnügte sich mit dem Hinweis, dass hierzu nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich sei. Immerhin konnte die Antragsgegnerin einen kritischen Prüfbescheid des Europäischen Patentamts in einem Parallelverfahren vorweisen. Offenbar ebenfalls aus Zeitmangel versäumte sie es, die fremdsprachige Druckschrift, auf die der Bescheid sich maßgeblich stützte, übersetzen zu lassen. Das Gericht beschäftigte sich daher nur „eingeschränkt“ mit diesem Dokument, was schließlich in das erwähnte Ergebnis mündete.
Ob die Sache anders ausgegangen wäre, wenn die notwendige Übersetzung und eine umfassende Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit – ggf. mit zusätzlichem Material – vorgelegt worden wäre, lässt sich natürlich nicht sagen. Klar ist aber, dass sich die Antragsgegnerin aus Zeitgründen nur eingeschränkt verteidigen kann. Dies liegt maßgeblich an der Systematik des Eilverfahrens der ZPO, in dem es z.B. keine Fristverlängerungen gibt und nur Materialien („Glaubhaftmachungsmittel“) Berücksichtigung finden, die dem Gericht vorlegen. Erst nach Erhalt einer Abmahnung mit Patentrecherchen zu beginnen, ist daher riskant, wie nicht nur dieser Fall zeigt.
Tatsächlich sind Gewerbetreibende gehalten, vor Markteinführung technischer Neuerungen die Patentsituation zu prüfen. Noch weitaus besser ist eine laufende Patentblattüberwachung, mit der die Aktivitäten der Konkurrenz überwacht und Einspruchsfristen gewahrt werden können. Die Kosten für eine zehnjährige Überwachung liegen normalerweise um ein Vielfaches niedriger als die für ein einziges verlorenes Verfügungsverfahren. Außerdem kann systematisch Material gesammelt werden, das dann für spätere Angriffe auf fremde Schutzrechte – oder auch eine Schutzschrift – sofort zur Verfügung steht. – Ganz abgesehen davon, dass fremde Patentveröffentlichungen ja auch Anstöße für eigene Neuentwicklungen geben können.